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Abhandlungen

der

Königlichen Akademie der Wissenschaften

zu Berlin.

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Abhandlungen

der

Königlichen

Akademie der Wissenschaften

zu Berlin.

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Be Aus dem Jahre in YE pi 1825, Nebst der Geschichte der Akademie in diesem Zeitraum.

Berlin.

Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften.

1828.

In Commission bei F. Dümmler.

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Historische Einleitung .............- ee ee Seite I Verzeichnifs der Mitglieder und Correspondenten der Akademie........errr0r.: - V Abhandlungen. Physikalische Klasse. RURsTEen. uber.das Roheisen; „+ 30.0.“ 00 0cL0 a sisteldeiete defsisin are sjarnidereaihfe ana ai Seite 1 Link über die natürliche Ordnung der Gräser... .....2eeseeeenesneeeenennenenne A,

Ruvorenı Beschreibung einer seltenen menschlichen Zwitterbildung nebst voran- j geschickten allgemeinen Bemerkungen über Zwitter-Thiere..... - 45

Sezseck von dem in allen Metallen durch Vertheilung zu erregenden Magnetismus - 7

v. Buch einige Bemerkungen über Quellen-Temperatur........erersneeeeernenn - 93 Erman über einen anomal scheinenden Erfolg beim Freiwerden der latenten Wärme,

mit Beziehung auf die Thermologie des Aristoteles............. - 107

"Licntenstein über die Springmäuse oder die Arten der Gattung Dipus ......... - 133

Weıss über die Verhältnisse in den Dimensionen der Krystallsysteme, und ins- besondere des Quarzes, des Feldspathes, der Hornblende, des

Aus ıtessundidessEipidotes zen er este tn e ee ehn rasen - 163

“Mirscneruich über die Ausdehnung der krystallisirten Körper durch die Wärme.. - 201

Mathematische Klasse.

Eyrerweın über die Prüfung der Normal-Maafse und Gewichte für den Königlich-

Preufsischen Staat und ihre Vergleichung mit den französischen Maafsen und Gewichten... seen nee ee elen eimeire Seite 1

Besser Neue Untersuchungen über die Geraden - Aufsteigungen der 36 Fundamen- talsterne ses sin. ale. meer sereeten.e. see ehe ee aaa. - 23 OLımanns über die Bildung eines Erdkatalogs ......000ressenenonennennncnenee - 37 Posercer von Konoiden-Schnitten ....... ee SE Eee eteistele ek - 97

Philosophische Klasse. Ancırron über die Extreme in der Philosophie und allen moralischen Wissen- Schaften:ae® a2 ea. sn data euere een leere areas ei en ee Seite 1 SCHLEIERMACHER über den Unterschied zwischen Naturgesetz und Sittengesetz.... - 15

Historisch-philologische Klasse. Wirnserm v. HumsorLor über die unter dem Namen Bhägavad-Gitä bekannte Epi-

sodeides Maha-Bhärata rs. aus o eredrensiasre siereinieleia ne ne sam aae ae are Seite 1 Uupen über drei antike Musiv-Gemälde im Königlich-Preufsischen Museum ..... - 65 V“Süvern: über den historischen Charakter des Drama......c..222ee202 seecsenes Ira 77}

WWirserm v. Humsoror über vier Ägyptische, löwenköpfige Bildsäulen in den hie-

sigen Königlichen Antikensammlungen .......2eseeeeneeneeen - 145 Iperer über die von den Alten erwähnten Bestimmungen des Erdumfanges und die

von den Neuern daraus abgeleiteten Stadien .......eer...... ....- 169 Borr Vergleichende Zergliederung des Sanskrits und der mit ihm verwandten

Sprachen (zweite Abtheil.). ces cacsesseersnnesse innen. - 191

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An 24. Januar hielt die Königliche Akademie der Wissenschaften eine öffentliche Sitzung zur Feier des Jahrstages Friedrichs des Zweiten, welche der Sekretar der philosophischen Klasse, Herr Schleiermacher, eröffnete, und in welcher Herr von Buch über die Insel Palma, Herr Schleiermacher über den Unterschied zwischen Natur- und Sittengesetz, und Herr Weifs über das Vor- kommen der Edelsteine im Riesengebirge las.

Die öffentliche Sitzung am 3. Julius, dem Leibnitzischen Jahrstage, eröffnete der Sekretar der historisch-philologischen Klasse, Herr Buttmann, mit einer Mahnung an Leibnitz Ver- dienste um die Sprachforschung, worauf er die unten folgende von der philosophischen Klasse aufgegebene Preisfrage bekannt machte, und von den seit einem Jahr bei der Akademie vorgefal- lenen Veränderungen Bericht erstattete. Der ehrwürdige Veteran, Herr Bode, ist, seinem so spät erst geäufserten Wunsche zufolge, von seinen Verpflichtungen bei der Akademie und Sternwarte ent- bunden worden. Die hierdurch erledigte Stelle eines Vorstehers der Königlichen Sternwarte ist dem Astronomen Herrn Professor Encke zu Gotha ertheilt, und derselbe zugleich zum ordentlichen Mitgliede der Akademie, und zum Sekretar der mathematischen Klasse ernannt worden. Schon vorher war die bereits im Jahr 1810 getroffene Wahl des Herrn Oltmanns zum Mitgliede der- selben Klasse, welche Wahl aber durch den langjährigen Aufent- halt im Auslande ohne Erfolg geblieben war, den Statuten gemäfs

II

erneuert worden, und seitdem hat die Akademie auch die hiesigen Professoren Herrn Dirksen und Poselger zu Mitgliedern der ma- thematischen Klasse ernannt. Für die physikalische Klasse ist Herr Berzelius zu Stockholm als ordentliches auswärtiges Mitglied ge- wählt worden. Die historisch-philologische Klasse hat die Herren Meier in Halle, Schömann in Greifswald, Thiersch in München und Abel Remusat in Paris zu ihren Correspondenten ernannt.

Nach diesen Vorträgen des vorsitzenden Sekretars begrüfs- ten die drei neu eintretenden Mitglieder, die Herren Dirksen, Oltmanns und Poselger, die Akademie mit kurzen Anreden, welche von dem ältesten Mitgliede der mathematischen Klasse, Herrn Grüson, beantwortet wurden. Zuletzt las Herr Wilhelm von Humboldt eine Abhandlung über das Bhagavad-Gita, worin er die in diesem altindischen Gedicht enthaltene philosophische Lehre des Krischna entwickelte.

Preisfrage der philosophischen Klasse für das Jahr 1827. Cartesius, Leibnitz und Locke haben versucht, die T’hat- sachen des Ihierischen Instinkts und des Kunsttriebes ins- besondere in Übereinstimmung mit ihren allgemeinen Theorien zu erklären. Spälere Systeme hingegen haben diesen Gegenstand theils ganz übergangen, theils sich nur sehr im ‚Allgemeinen darauf eingelassen. Die Akademie wünscht diesen Mangel ergänzt zu sehen, und fordert daher, dafs einerseits der Versuch gemacht werde, Erklärungen jener Thatsachen zu geben, in dem Geiste der verschiedenen neuen Systeme der Philosophie ; nächstdem aber auch dargestellt werde, mit welchen Eigenthümlichkeiten der Schulen es zusammenhänge, da/s die einen diesen Gegenstand behandeln, die an- dern ihn übergehen.

„‚„Es wird der Akademie nur angenehm sein, wenn die Bear- beiter der Aufgabe bei Aufstellung des Begriffs alles berücksich-

111

tigen, was die Beobachtungen der Naturforscher hierüber bisher an die Hand gegeben haben, indem auf diese Weise am sichersten der Gegenstand in seinem ganzen Umfange aufgefafst werden wird. Auch wird es ihr keinesweges zuwider sein, wenn jemand glaubt, das, was man thierischen Kunsttrieb und Instinkt nennt, nicht iso- liren zu können, und daher als Mitel zum Zweck seine Unter- suchung auf alle Erscheinungen des thierischen Lebens richtet, welche eine Analogie mit menschlichen Seelenkräften darbieten.”

Die Abhandlungen müssen in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache, leserlich geschrieben, am 31. März 1827 bei dem Sekretar der Klasse eingegangen sein. Der Name des Ver- fassers ist in einem mit dem Denkspruch der Abhandlung bezeich- neten versiegelten Zettel beizufügen.

Die Ertheilung des Preises von 50 Ducaten geschieht in dem- selben Jahr in der öffentlichen Sitzung am 3. Julius.

Am 3. August hielt die Königliche Akademie der Wissen- schaften zur Feier des (reburtstages Seiner Majestät des Königs eine öffentliche Sitzung, welche der Sekretar der physikalischen Klasse, Herr Erman, eröffnete. Eine von dem Lieutenant Herrn von Reinhard entworfene Stammtafel des Königlich-Preufsischen Hauses ward als ein der Feier des Tages angemessenes genealo- gisches Kunstwerk ausgestellt. Hierauf las Herr Ideler über das Geburtsjahr Christi mit Bezug auf den Stern der Weisen. Herr Ritter hielt einen Vortrag über Capitän Smith’s Karte zu den vom Major Denham und Lieutenant Glapperton im Innern von Afrıka gemachten Entdeckungen. Herr Link las den Entwurf eines Pflanzen-Systems nach phytologischen Grundsätzen.

Für das Unternehmen der neuen Himmelskarten, nach dem Vorschlage des auswärtigen Mitgliedes Herrn Bessel, (s. die Ein- leitung zum vorigen Bande der akademischen Schriften) ernannte die

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IV

Akademie im Laufe dieses Jahres eine Commission, bestehend aus dem auswärtigen Mitgliede Herrn Bessel und den ordentlichen Mitgliedern Herren Dirksen, Encke, Ideler und Oltmanns, und bestimmte eine für den angegebenen Zweck vorläufig hin- reichend scheinende Summe, welche aus den jährlichen Einkünften der Akademie sechs Jahre hindurch entnommen werden soll.

Die Commission versandte an die Haupt-Sternwarten des In- und Auslandes einen von Herrn Bessel entworfenen Prospectus des Unternehmens, in welchem aufser den näheren Bestimmungen über die Art der Zeichnung und Reduction, jedem T'heilnehmer für ein Blatt von einer Stunde in der geraden Aufsteigung und 30° in der Declination, ein Preis von 25 Dukaten versprochen wurde. Der Prospectus war begleitet von einer Probekarte, welche Herr Bessel entworfen; zur gröfseren Verbreitung erlaubte Herr Pro- fessor Schumacher noch die Einrückung in seine astronomischen Nachrichten. Als vorläufiger Termin der Beendigung jedes Blattes ward das Ende von 1825 angesetzt.

Das Unternehmen erfreute sich einer regen Theilnahme, so dafs die Commission schon am Ende dieses Jahres vorläufig alle Stunden vertheilen konnte. Die gröfsere Mehrzahl der Theilneh- mer erklärte sich mit den Bestimmungen der Commission zufrie- den, und die letztere sah sich selbst in die unangenehme Noth- wendigkeit versetzt, etwas später eingehende Meldungen einst- weilen noch mit der Bitte ablehnen zu müssen, etwanige Lücken in der Vertheilung, oder eine Erweiterung des Unternehmens ab- warten zu wollen.

Ueber den Erfolg und die wirkliche Ausführung werden die späteren Bände weiter berichten.

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Verzeichnifs

der Mitglieder und Correspondenten der Akademie.

December 1825.

I. Ordentliche Mitglieder.

Physikalische Klasse.

Herr /Yalter, Veteran. Herr Lichtenstein. - Hufeland. - Weiß. - Alexander v. Humboldt. - Link. - Hermbstädt. - Seebeck. - m. Buch. - Mlitscherlich. - Erman, Sekretar der Klasse - Karsten.

- Rudolphi.

Mathematische Klasse.

Herr Bode, Veteran. Herr Oltmanns. - Grüson. - Erncke, Sekretar der Klasse - Eytelwein. - Dirksen. - Fischer. - Poselger.

Philosophische Klasse.

Herr Ancillon. Herr v. Savigny. - ‚Schleiermacher, Sekretar der Klasse.

Historisch-philologische Klasse.

Herr Hirt, Veteran. Herr Boeckh. - Buttmann, Sckretar der Klasse. - Bekker. - Milhelm v. Humboldt. - Süvern. - Uhden. - Wilken. - Niebuhr. - Ritter. - Ideler. - Bopp.:

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II. Auswärtige Mitglieder.

Physikalische Klasse.

Herr Berzelius in Stockholm. - Blumenbach in Göttingen. - Cupier in Paris.

Sir Humphry Davy in London.

Herr Jussieu in Paris.

Scarpa in Pavia.

Sömmering in Frankfurt am Main. Volta in Como.

Mathematische Klasse.

Herr Bessel in Königsberg. - Gaufs in Göttingen.

Herr Graf la Place in Paris.

Philosophische Klasse.

Herr ®. Göthe in Weimar.

Herr Stewart in Edinburgh.

Historisch -philologische Klasse.

Herr Gottfried Herrmann in Leipzig. - ‚Silvestre de Sacy in Paris.

Herr 4. WW. v. Schlegel in Bonn.

J. H. Vofs ın Heidelberg.

Il. Ehren-Mitglieder.

Herr €. F. $. Freih. Stein vom Altenstein in Berlin. - Graf Daru in Paris. - Imbert Delonnes in Paris. - Dodwell in London. - Ferguson in Edinburgh. Sir FVilliam Gell in London. Herr Villiam Hamilton in Neapel. - Graf v. Hoffmannsegg in Dresden. - Colonel Zeake in London.

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Herr Lhutlier in Genf.

v. Loder in Moskau.

Gen. Lieut. Freih. v. Minutoli in Neufchatel.

Gen. Lieut. Freih. v. Müffling in Berlin.

Prevost in Genf.

Fr. Stromeyer in Göttingen.

Thaer in Mögelin.

v. Zach in Genua.

IV. Correspondenten.

Für die physikalische Klasse. Herr Mohs in Freiberg.

Herr Accum in Berlin. - Autenrieth in Tübingen. - Balbis in Lyon. - Biot in Parıs. - Brera in Padua. - Rob. Brown in London. - Caldani in Padua. - Chladni in Kemberg. - Configliacchi in Pavia. - Florman in Lund. - Gay-Lussac in Paris. - Hausmann in Göttingen.

- Hellwig in Braunschweig.

- Jameson in Edinburgh. - Kielmeyer in Stuttgard. - Kunth ın Paris.

- Larrey in Paris.

- Latreille in Paris

von Moll in München. van Mons in Brüssel. itzsch in Halle. Oersted in Kopenhagen. Pfaff in Kiel. C. Sprengel in Halle. ‚Schrader in Göttingen. v. Stephan in Petersburg. Tenore in Neapel. Thenard in Paris. Tiedemann in Heidelberg. Tilesius in Mühlhausen.

Treviranus d. ält. in Bremen.

Trommsdorf in Erfurt. Vauquelin in Paris. FWahlenberg in Upsala. FViedemann in Kiel.

Für die mathematische Klasse.

Herr Bürg in Wien. - Legendre in Paris. - Olbers in Bremen. - Oriani in Mailand.

Herr Piazzi in Palermo.

Poisson ın Paris. de Prony in Paris. FWoltmann in Hamburg.

Für die philosophische Klasse.

Herr Bouterweck in Göttingen.

- Degerando in Paris. - Delbrück in Bonn,

Herr Fries ın Jena.

Ridolfi in Padua.

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Für die historisch - philologische Klasse.

Herr Avellino in Neapel.

Beigel in Dresden. Böttiger ın Dresden. Bröndsted in Kopenhagen. Cattaneo in Mailand. Graf Clarac in Paris. Dobrowski in Prag.

Del Furia in Florenz. Anthimos-Gazis ın Griechenland. Göschen in Göttingen. Halma in Paris.

v. Hammer in Wien. Hase ın Paris.

Heeren in Göttingen.

van Heusde in Utrecht. Jacobs ın Gotha.

Jomard in Paris.

vw. Köhler in Petersburg.

Herr Kumas in Smyrna. - Lamberti in Mailand. - Lang in Anspach. - Letronne in Paris. - Linde in Warschau. - Mai in kom. - Meier in Halle. - K.O. Müller in Göttingen. - Münter in Kopenhagen. - Mustoxides in Corfu. - Et. Quatremere in Paris. - Abel-Remusat in Parıs. - ‚Schömann in Greifswald. - Simonde-Sismondi in Genf. - Thiersch in München. - Thorlacius in Kopenhagen. - Vater in Halle.

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Im Jahre 1825 hat die Akademie folgende Mitglieder

durch den Tod verloren:

I. Von den auswärtigen Mitgliedern.

a) der mathematischen Klasse.

Herr von Fu/s in Petersburg. Herr J. F. Pfaff in Halle.

N. Von den Ehren-Mitgliedern.

Herr Marchese G. Zuccesiniin Lucca. Herr Baron J. F. Perey in Paris.

Il. Von den Correspondenten.

a) der physikalischen Klasse. Herr R. Des- Fontaines in Paris. Herr Schreger d. ält. in Erlangen. - Desgenettes in Paris. - Masalli- Eandi in Turin. - Kausch in Liegnitz.

6) der philosophischen Klasse.

Herr Z’ydemarn in Leyden.

e) der historisch-philologischen Klasse.

Herr Barbie du Bocage in Paris.

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der physikalischen Klasse

der

Königlichen

Akademie der Wissenschaften

zu Berlin.

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Aus dem Jahre

1823.

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Berlin.

Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften.

1828.

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Über das Roheisen.

„Von v HI=RARSTEN:.

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 17. März 1825.]

No ist der Unterschied der Temperatur nicht bestimmt, welche erfor- dert wird, um ein Metall zu schmelzen und dasselbe aus seinen Oxyden ver- mittelst der Kohle, zu reduciren. Fs findet aber in diesem Verhalten eine sehr grofse Verschiedenheit bei den Metallen statt, indem einige eine ungleich geringere Temperatur zum Schmelzen, als ihre Oxyde zur Reduction erfor- dern; bei anderen der Schmelzpunkt des Metalles und die zur Reduction seines Oxyds nöthige Temperatur sehr nahe zusammen fallen, und bei noch anderen die Schmelzung sehr viel später eintritt, als die Reduction seines Oxyds. Zu dieser letzten Classe von Metallen gehört das Eisen, dessen Schmelzpunkt von derjenigen Temperatur, in welcher die Reduction seiner Oxyde erfolgt, sehr bedeutend entfernt ist.

Der Prozefs der Reduction ist von merkwürdigen Erscheinungen be- ‚gleitet. Metalle, die mehrerer Oxydationsstufen fähig sind, stellen sich, wenn das Peroxyd redueirt werden soll, in der Regel zuerst auf die nächst niedrige Oxydationsstufe, ehe sie in den metallischen Zustand übergehen. Das Per- oxyd des Eisens wird zuerst in ein magnetisches Oxydul-Oxyd, vielleicht in dasjenige wie es in der Natur in den Magneteisensteinen vorkommt, umgeän- dert, überspringt aber den Zustand des Oxyduls und tritt sogleich aus dem des Oxydul-Oxyds in den metallischen. Der Grund dieses Verhaltens liegt darin, dafs das Oxydul für sich, und ohne Verbindung mit anderen Körpern, nicht bestehen kann. Deshalb bleibt auch, wenn aus dem natürlichen koh-

Phys. Klasse 1825. A

2 KARsTeEn

lensauren Eisenoxydul, dem Spatheisenstein, die Kohlensäure durch Glühhitze ausgetrieben wird, nicht das Oxydul, sondern ein Oxydul-Oxyd zurück, indem jenes, um sich in dieses umzuändern, eine angemessene Menge Kohlensäure in Kohlenoxydgas zerlegt.

Merkwürdiger ist aber die Erscheinung, dafs sich die auf der Ober- fläche eingeleitete Reduction, ohne unmittelbare Berührung mit Kohle, bis zum Mittelpunkt fortpflanzt. Eine Masse von Eisenoxyd wird in einem Koh- lentiegel vollständig reducirt, ohne geschmolzen zu seyn und ohne dafs das Innere dieser Masse mit Kohle in Berührung kommt. Ein Stück Eisenerz wird im Schmelzofen, ungleich früher als die Schmelzung eintritt, vollständig in regulinisches Eisen umgeändert, ohne einmal seine äufsere Gestalt zu ver- ändern. Die Wirkung der Kohle, dieses höchst feuerbeständigen und äufserst strengflüssigen Körpers, erstreckt sich also auf, eine unbegreifliche Weise bis zum Mittelpunkt der oxydirten Masse, gerade so, wie bei der Reduction ei- nes mit Säure verbundenen Metalloxyds auf dem nassen Wege, das reducirte Metall selbst, die Reduction vollendet, wenn es vermittelst eines Leiters mit dem niederschlagenden Metall in Verbindung steht. Hier ist das Wasser und dort die Wärme der Leiter, das verbindende Glied, welches eine unmittel- bare Berührung des zu reducirenden Körpers mit dem Reductionsmittel un- nöthig macht.

Die Reduction der Eisenoxyde durch Kohle erhält dadurch ein neues Interesse, dafs sich das Metall, im Augenblick der Reduction, mit der Kohle selbst verbindet, eine Verbindung die bekanntlich auch dann eintritt, wenn das Metall in der Weifsglühhitze zwischen Kohlen geglühet wird. Wie ver- schieden die Eigenschaften sind, welche die Kohle, nach ihrer verschiedenen Menge und nach ihrem Verbindungszustande, dem Eisen mittheili, habe ich früher zu zeigen versucht; es kommt nun darauf an, näher nachzuweisen, wie diese Verbindungen bei der Reduction und beim Schmelzen der Eisenoxyde gebildet werden.

Die Reduction des reinen Eisenoxyds in Kohlentiegel, wird schon in einer anhaltenden starken Rothglühhitze vollständig bewerkstelligt; das re- ducirte Metall behält aber die äufsere Gestalt und den Umfang, die es im oxydirten Zustande besafs und erst durch eine bedeutende Erhöhung der Temperatur treten die Theilchen näher zusammen und vereinigen sich zuletzt

zu einem Regulus, der bald die Eigenschaften des Gufsstahls, bald die des

über das Roheisen. 2

weifsen oder des grauen Roheisens besitzt. Die Bedingungen unter denen das Produkt der Schmelzung, bald diese bald jene Eigenschaft erhält, sind noch nicht mit der nöthigen Vollständigkeit ausgemittelt; im Allgemeinen liefert aber schnelle und starke Hitze ein mit dem weichen Stahl, und lange anhaltende und zuletzt bis zur Schmelzung erhöhete Temperatur, ein mit dem grauen Roheisen übereinstimmendes Produkt.

Anders wird der Erfolg seyn, wenn die Reduction nicht in einem ver- schlossenen Gefäfs, sondern vor dem Gebläse vorgenommen wird. Der Luft- strom welcher dem Feuer durch das Verbrennen der Kohlen Nahrung giebt, trifft nothwendig auch das schon reducirte Eisen, wodurch eine neue Einwir- kung des sich bildenden Eisenoxyds auf das reducirte kohlehaltige Eisen ver- anlafst wird. Die deutsche, französische und italienische Luppenfrischerei bewirken die Darstellung des Stabeisens aus den Eisenerzen zwar auf eine etwas verschiedene Weise; allein sie stimmen alle darin überein, dafs das Oxyd zuerst in einer geringeren Temperatur und gegen den Windstrom des Gebläses geschützt, reducirt, dafs das reducirte Metall alsdann vor dem Winde geschmolzen und dafs durch das sich bildende oxydirte Eisen, der gröfste Theil der Kohle aus dem reducirten Eisen entfernt wird. Es gehört also zu dem Wesen dieser Arbeitsmethoden, einen Theil des schon zur Metallität ge- langten aber noch nicht geschmolzenen Eisens wieder zu oxydiren, um dem anderen Theil die bei der Reduction aufgenommene Kohle zu entziehen und dadurch in ein mehr oder weniger stahlartiges Stabeisen umzuändern. Bei diesen Schmelzprozessen sind folglich die Reduction des Oxyds, und die Schmelzung und gleichzeitige Entkohlung des reducirten Metalles, zwei ganz von einander getrennte Operationen, welche zwar in demselben Schmelz- raum, aber in verschiedenen Zeitperioden vorgenommen werden.

Was bei der Luppenfrischerei in den Schmelzheerden geschieht, er- folgt genau auf dieselbe Weise in den Stücköfen. Die Temperatur wird nicht höher als bis zur Reduction des Oxyds gesteigert und das reducirte aber noch nicht geschmolzene Metall dem Windstrom des Gebläses ausgesetzt. Gewäh- ren die Rennarbeit und die Stückofenwirthschaft auf der einen Seite den Vortheil, dafs durch sie das Eisen aus dem Oxyd sogleich im Zustande des Stabeisens dargestellt wird; so veranlassen sie doch andererseits den grofsen Nachtheil des geringen Ausbringens an Eisen, weil die Bildung des stab- eisenartigen Produkts, durch die gleichzeitige Oxydation und Verschlackung

A2

4 KARrsSTEn

eines anderen Theils des Eisengehalts des Oxyds, bedingt wird. Stückofen- schlacke von Suhl fand ich zusammengesetzt in 100 Theilen aus:

Kiselerde Seesccctausas. 201 Thonerde ‚uenssunusns 4,3 Kaälkerdesecrssassnesn 250 Bitlererdesucunasenenms 942 Busenoxydul .cescaesseı DL; 1 Manganoxydul......... 2,9

aly ass casseerrness na DPUT 00,8

und mit dieser Zusammensetzung stimmen alle Schlacken von den Stücköfen und von den Rennheerden im Wesentlichen überein, so dafs sie als ein reiches Eisenerz betrachtet werden können.

Wird die Temperatur in dem Stückofen, durch Verminderung des Verhältnisses des zu reducirenden Oxyds zu den Kohlen, erhöhet; so erfolgt die Reduction in einer gröfseren Höhe über dem eigentlichen Schmelzpunkt, oder über der Form. Das reducirte und gleichzeitig mit noch mehr Kohle in Verbindung getretene Metall bleibt dem Windstrom weniger lange ausge- setzt, weshalb die chemische Einwirkung des durch die Wirkung der Ge- bläseluft wieder gebildeten oxydirten Eisens, auf das mit einer gröfseren Quantität Kohle verbundene Metall, nur unvollkommen erfolgen kann. Der Erfolg wird daher eine weniger eisenreiche Schlacke, so wie ein mehr Kohle haltendes Eisen seyn müssen. Ein solcher Erfolg tritt auch wirklich ein und wird in manchen Gegenden absichtlich herbeigeführt. So erzeugt man z.B. zu Vordernberg in Steyermark, in denselben Öfen welche früher als Stück- öfen dienten, die so genannten luckigen Flossen, nämlich ein Roheisen, welches wenig Kohle enthält und sich dem Zustande des Stückofeneisens ziemlich nähert, nur dafs es durch den Gehalt an Kohle noch den Grad der Flüssigkeit behalten hat, dafs es im flüssigen Zustande aus dem Schmelzraum abgelassen werden kann und nicht, wie das Stückofeneisen, aus dem Heerde ausgebrochen werden mufs. So wird im Hennebergischen in denselben Öfen, welche noch jetzt als Stücköfen gebraucht werden, durch noch gröfsere Ver- minderung des Erzsatzes wie zu Vordernberg, ein noch etwas kohlereicheres Roheisen, gewöhnlich im Zustande der blumigen Flossen, dargestellt.

über das Roheisen. 5

Die Temperaturunterschiede sind es also, welche den Zustand be- stimmen, in welchem das Eisen ausgebracht wird, sei es als ein kohlereicher Stahl (Stückeisen), oder als ein kohlearmes weilses Roheisen (Weichflofs, luckiges Flofs, blumiges Flofs). Aber in beiden Fällen fand die Reduction des Oxyds gleich vollkommen statt; wenigstens wird der Erfolg des Schmelz- prozesses in so fern derselbe nicht mit ganz reinen Eisenoxyden im Koh- lentiegel, sondern mit den reinsten Eisenerzen in Luppenheerden oder in Öfen vorgenommen wird nicht durch die mehr oder weniger vollkom- mene Reduction, sondern ganz allein durch den Grad der chemischen Ein- wirkung des wirklich schon redueirten und durch die Gebläseluft wieder oxydirten Eisens, auf das in der Schmelzung begriffene mehr oder weniger kohlehaltige Eisen herbeigeführt. Würde die Temperatur bis zu dem Grade vermindert, dafs selbst die Reduction des Oxyds nicht vollständig erfolgen könnte, so mufs das Ausbringen aus leicht begreiflichen Gründen noch ge- ringer ausfallen, und bei einer sehr niedrigen Temperatur wird gar keine Reduction mehr erfolgen, sondern die ganze Schmelzmasse verschlackt wer- den müssen, wie dies wirklich dann geschieht, wenn das Verhältnifs des Erzes zu den Kohlen aus Unvorsichtigkeit zu schr erhöhet worden ist.

Je mehr die Temperatur im Schachte des Ofens zunimmt, desto früher erfolgt die Reduction des Oxydes und desto mehr Kohle wird mit dem redu- cirten Eisen in Verbindung treten, ehe die Erzsätze den eigentlichen Schmelz- punkt vor der Form erreicht haben. Der gröfsere Kohlegehalt bewirkt aber zugleich eine gröfsere Schmelzarbeit des Eisens und das kohlehaltigere Eisen wird daher auch der Einwirkung des Windstroms schneller als das Eisen mit geringerem Kohlegehalt entzogen, d.h. es wird in geringerer Menge oxydirt werden und die Einwirkung des sich bildenden Oxyds auf das Kobhleeisen wird in demselben Verhältnifs abnehmen. Den ganzen Kohlegehalt wird das reducirte Eisen aber nur dann behalten können, wenn es schon über der Form im tropfbar flüssigen Zustande vorhanden ist und sich in diesem Zu- stande, beim Niedertropfen vor der Form, der Wirkung des Luftstroms schnell entzieht. Wie schnell aber auch dies Niedertropfen erfolgen mag, so wird die Oxydation doch niemals vollkommen verhindert werden können und daher dürfte man schwerlich dahin gelangen, das neutrale Roheisen, nämlich das Roheisen mit den Spiegelflächen, welches das Maximum von Kohle aufgenommen hat, durch die Reduction von ganz reinen Eisenoxyden

6 KARsTEn

im Schachtofen zu erhalten. Noch weniger wird es aber gelingen, das Eisen im Zustande des grauen Roheisens, aus den ganz reinen Oxyden im Schacht- ofen auszubringen, aus Gründen welche bald einleuchten werden.

Die reinsten Eisenerze der Magneteisenstein, der Spatheisenstein, der Roth- und Brauneisenstein enthalten fremde Beimischungen, vorzüg- lich Kieselerde, Kalkerde, Bittererde, Manganoxyd und Titanoxyd, können also nicht als völlig reine Eisenoxyde betrachtet werden. Aufserdem würde es fast unmöglich seyn, sie von aller Gangart gänzlich zu befreien; auch werden durch die Asche der verbrennenden Kohlen und durch den Sand, welcher allen Kohlen unvermeidlich mechanisch anhängt, fremdartige Sub- stanzen in die zum Schmelzen bestimmte Masse gebracht. Alle diese Oxyde reduciren sich aber später als die Oxyde des Eisens, und sie alle, vielleicht nur mit Ausnahme des Manganoxyds, gelangen in der Schmelzhitze des Roh- eisens noch nicht in den metallischen Zustand. Sie scheiden sich daher beim Schmelzen des reducirten kohlehaltigen Eisens als oxydirte Gemische, im verglafsten oder verschlackten Zustande, ab, und schützen das Metall beim Niedergehen vor der Form vor dem Windstrom, tragen also in so fern zu einem reicheren Eisenausbringen aus den Erzen bei. Dies ist der Grund weshalb ganz reine Eisenoxyde, auch bei einer Temperatur, welche die reine Ausscheidung des Eisens am mehrsten begünstigt, nicht ohne Eisenverlust in den Öfen verschmolzen werden können. Durch die Schlackendecke wird es ferner nur möglich, das Eisen aus den reinen Eisenerzen im Zustande des Spiegeleisens, oder in der mit Kohle gesättigten Verbindung, darzustellen. Ist es also die Absicht, ein solches Roheisen aus den reichen und reinen Eisenerzen zu erhalten, so kann dieselbe nur durch Zusatz von Schlacke, oder von anderen leicht verschlackbaren Substanzen erreicht werden, um dem Metall einen Schutz gegen den Windstrom zu gewähren und dadurch die sonst theilweise erfolgende Oxydation des schon reducirten und geschmol- zenen Roheisens, und die Einwirkung des sich bildenden Oxyds auf das Koh- leeisen, zu verhindern.

Der Zweck würde aber auch ohne das Sinken der Temperatur im Ofen unerreicht bleiben, wenn der Zuschlag so gewählt wird, dafs die sich bildende Schlacke, in der Temperatur, in welcher das Roheisen mit Spiegel- flächen schmelzt, noch nicht in dünnen Flufs kommt, sondern eine teigartige Konsistenz erhält. Das weilse Roheisen ändert sich nun mehr oder weniger

über das Roheisen. 7

in graues um; ein Erfolg, welcher selbst dann bei einer Beschickung welche reines Spiegeleisen giebt, fast immer eintritt, wenn sich die Hitze im Ofen durch leichtere Erzsätze erhöhet, und wenn mit dieser Temperaturzunahme zugleich eine Abnahme der Schmelzbarkeit der Schlacke, oder eine Vermin- derung des Zustandes der Flüssigkeit derselben, verbunden ist. Das reducirte, mit dem ganzen Gehalt von Kohle den es aufzunehmen fähig war, verbun- dene und bereits geschmolzene Eisen, wird durch die steife Schlacke län- ger in koncentriter Hitze erhalten und es entsteht nun eine wechselseitige chemische Einwirkung der Schlacke und des Kohleeisens, welche bei einer dünnflüssigen Schlacke nicht statt finden konnte, indem sich das geschmol- zene Kohleneisen, vermöge seines gröfseren specifischen Gewichtes, in der

{e)

gen Schlacke schnell niedersenkte. In beiden

Fällen ist die Schlacke gaar, d.h. fast ganz frei von Eisenoxydul, oder es

viel leichteren tropfbar flüssi

war kein schon reducirtes Eisen wieder oxydirt worden, weil die Schmel- zung des Kohleneisens schon über dem Windstrom statt gefunden hatte, und weil das geschmolzene Eisen durch die Schlacke vor der Oxydation geschützt worden war. Aber in Rücksicht der Schmelzbarkeit sind beide Schlacken sehr verschieden; die Schlacke vom Spiegeleisen ist fast tropfbar flüssig, die vom grauen Roheisen wälzt sich wie eine breiartige Masse über den Vor- heerd des Ofens, oder ist wohl gar so steif, dafs sie von Zeit zu Zeit mit Werkzeugen aus dem Heerd genommen werden mufs.

Sind die Zuschläge bei den reinen Eisenerzen strengflüssig gewählt und ist die Temperatur des Ofens, durch das Verhältnifs der Schmelzmasse zu den Kohlen, oder durch andere zufällige Umstände, so sehr gesunken, dafs das reducirte Eisen erst vor der Form zum Schmelzen gelangt, so müs- sen die früher erwähnten Erscheinungen, welche mit der Bildung des weilsen, weniger kohlehaltigen Roheisens verbunden sind, in einem noch höheren Grade eintreten, weil die Schmelzmasse noch länger vor der Form zurück gehalten und daher eine gröfsere Menge Kohleneisen oxydirt wird. Die Schlacke erhält nun eine dunkelbraune und zuletzt eine ganz schwarze Farbe, die das Eisenoxydul ihr mittheilt, und erlangt einen fast noch höhe- ren Grad von Flüssigkeit als die Schlacke, welche mit der Spiegeleisenbil- dung in Verbindung steht. Aber diese Flüssigkeit ist nicht mehr die Folge der hohen Temperatur des Ofens, sondern der durch das leichiflüssige Eisen-

oxydul-Silicat bewirkten leichteren Schmelzbarkeit.

s KArsTen

Am häufigsten tritt der Fall ein, Eisenerze verschmelzen zu müssen, welche nicht reine Oxyde sind, sondern bei denen das oxydirte Eisen mit Erdarten auf mannigfaltige Weise, theils chemisch, theils mechanisch ver- einigt ist. Diese Erze erfordern in der Regel ebenfalls Zuschläge, aber nicht um eine Schlackendecke für das auszubringende Eisen zu erhalten, sondern um die Verschlackung der mit dem oxydirten Eisen verbundenen Erden zu befördern. Die Art und Menge der Zuschläge ist von der Beschaffenheit der Erden in den Eisenerzen, so wie von dem Zustande abhängig, in welchem sich das oxydirte Eisen mit den Erden verbunden befindet. Je leichtflüssiger die Beschickung eingerichtet wird, desto mehr wird, bei gleich bleibenden Verhältnissen der Erzsätze zu den Kohlen, die Temperatur im Ofen sich er- höhen, desto vortheilhafter wird also die Schmelzung erfolgen; vorausge- setzt, dafs der Zustand der Verbindung des oxydirten Eisens mit den Erden im Erz, nicht von der Art ist, dafs umgekehrt die Leichtflüssigkeit des Erzes vermindert und dadurch die zu leichte Verschlackung, wegen der sonst un- vollständig erfolgenden Reduction, verhütet werden müfs. Temperatur des Ofens und Konsistenz der Schlacken, bestimmen auch bei den armen Eisen- erzen die Beschaffenheit des auszubringenden Roheisens; allein das mit Kohle gesättigte Roheisen mit Spiegelflächen, läfst sich bei armen Erzen nicht an- haltend und ununterbrochen darstellen, weil es bei der grofsen Schlacken- masse sehr schwierig wird, stets eine dünnflüssige gaare Schlacke zu erhal- ten, indem der geringste Umstand eine Erhöhung oder eine Verminderung der Temperatur des Ofens zur Folge hat, wodurch eine steife gaare, oder eine flüssige ungaare Schlacke, also graues, oder weifses Roheisen mit ver- mindertem Kohlegehalt, erzeugt wird.

Um den Einflufs der Temperatur auf die Beschaffenheit der Schmelz- produkte bei dem Hohenofenprozefs bestimmt nachweisen zu können, ward die Hammhütte im Sayn - Altenkirchenschen gewählt, welche wegen ihrer einfachen Betriebsverhältnisse und wegen der reinen und reichen Eisenerze, die sie ohne Zuschläge verarbeitet, am mehrsten zu solchen Versuchen ge- eignet schien. Es werden auf diesem Hüttenwerk Spatheisenstein von der Grube Hohegrethe, und Brauneisenstein von der Grube Huth verschmolzen. Diese Erze kommen auf Gängen vor, welche in Grauwacke aufsetzen. Die Gangart ist Quarz.

über das Roheisen. 0)

Der Hohegrether Spatheisenstein enthält in 100 Theilen:

50,410 Eisenoxydul 7,515 Manganoxydul 2,350 Bittererde 38,635 Kohlesäure 0,320 Bergart 0,770 Wasser und Verlust. 100

Der Huther Brauneisenstein besteht in 100 Theilen aus: 86, 125 Eisenoxyd 0,750 Manganoxyd 1,700 Kieselerde 11,425 Wasser 100

Die Kieselerde gehört wesentlich zur Zusammensetzung des Erzes, weil es mit Säuren gelatinirt. Das Erz ist ein Eisenoxydhydrat.

Diese Erze werden zwar ohne Zuschläge verschmolzen, allein die Gangausfüllungen, welche aus Quarz und aus Thon bestehen, können nicht vollkommen abgesondert werden und gewähren in diesem Fall sogar den Vortheil, dafs sie beim Verschmelzen der Erze eine Schlackenmasse zur Decke für das auszubringende Eisen bilden.

Bei den hier anzuführenden, speziell durch den Hüttenbeamten Herrn Stengel geleiteten Versuchen, bestand die Beschickung aus 14 Theilen Hohe- grether Spatheisenstein und aus 9 Theilen Huther Brauneisenstein. Der Koh- lesatz im Ofen blieb stets derselbe, nämlich 9,38 rheinl. Kubf. für jeden Satz, oder für jede Gicht; aber das Verhältnifs der eben erwähnten Erzbe- schickung zu den Kohlen, oder der Erzsatz, ward erhöhet oder vermin- dert, je nachdem die Temperatur des Ofens vermindert oder erhöhet wer- den sollte, um Roheisen mit Spiegelflächen, oder weifses Roheisen mit ver- mindertem Kohlegehalt, oder graues Roheisen zu erzeugen.

Wenn auf die angegebene Quantität Kohlen dem Volum nach 5 Theile (gerade ein Berliner Scheffel) Beschickung gesetzt wurden, so erfolgte das neutrale weifse Roheisen mit Spiegelflächen; bei 8 Theilen Beschickung ward ein dem luckigen Vordernberger Roheisen sehr nahe stehendes weifses Roheisen mit vermindertem Kohlegehalt, und bei 2 Theilen Beschickung ein ziemlich graues Roheisen erhalten.

Phys. Klasse 1825. B

10 KARSTEN

Die Analyse der erhaltenen Roheisenarten und der dazu gehörenden Schlacken ist mehreremale angestellt worden. Die hier folgenden Zahlen sind die mittleren Durchschnitte der gefundenen, unter sich sehr wenig ab- weichenden Resultate.

100 Theile dieser verschiedenen Eisenarten enthielten:

Graues Spiegel- | Luckiges Roheisen. eisen. Eisen. Mansansee ch 7,421 4,1496 1,79 Silctum een 1,3125 0,5565 0,001 Kohlemetall ». ...:..: 2,375 0 0 Gebundene Kohle... .. 2,08 5,14 2,91 Schwefel. 2... cu... 0,001 0,002 0,01 Ehosphorn „ee seen 0,08 0,08 0,08 ’Maeniume 02... 00. Spur Spur 0

Die Schlacken bestanden aus:

vom vom vom grauen Spiegel- | luckigen

Roheisen. eisen. Eisen.

Kieselerde........... 49,57 48,39 37,80 Thonerde.i... 0% 9,00 6,66 2,10 Eisenoxydulis,. or eek. 0,04 0,06 21,50 Bittererde. ..........» 45,45 10,22 8,60 Manganoxydul ....... 25,84 33,96 29,20 Schwefel ans tee. 0,08 0,08 0,02 99,68 99,37 99,22

Ob der bei den Schlackenanalysen erhaltene Verlust vielleicht von einem Alkaligehalt herrühre, ist nicht weiter untersucht worden, weil diese mühsame analytische Untersuchung für den vorliegenden Fall gar kein be- sonderes Interesse gehabt haben würde.

Es geht aber aus diesen Analysen hervor:

1) Dafs nur das graue Roheisen ungebundene Kohle enthält.

2) Dafs der Kohlegehalt im Spiegeleisen am gröfsten ist.

3) Dafs der ganze Eisengehalt des Erzes, bei der Erzeugung von grauem Roheisen und von Spiegeleisen, vollkommen ausgebracht wird, woge-

über das Roheisen. AA

gen bei der Gewinnung des luckigen Eisens ein bedeutender Theil des reducirten Eisens wieder verschlackt wird.

4) Dafs das luckige Eisen die wenigsten fremdartigen Beimischungen enthält.

5) Dafs das graue Roheisen am mehrsten mit Mangan und Silicium über- laden ist und dafs die gröfsere Strengflüssigkeit der Schlacke bei die- sem Roheisen dadurch bewirkt wird, dafs ein Theil des Manganoxyd- gehalts der Schlacke, durch die Kohle des ausgebrachten Eisens redu- cirt, der Schlacke also entzogen wird.

6) Dafs das luckige Eisen zehnmal mehr Schwefel enthält als das graue, wogegen die Schlacke vom grauen Roheisen und vom Spiegelflofs wenigstens viermal mehr Schwefel als die vom luckigen Flofs aufge- nommen hat. Die Erscheinungen bei den Analysen von anderen, an Schwefel noch reicheren gaaren Hohenofenschlacken, haben mich be- lehrt, dafs der Schwefel in der Schlacke nicht am Eisen, sondern am Me- tall der Kalkerde gebunden ist. Diese Schlacken enthalten aber nicht eine Spur von Kalkerde, so dafs der Schwefel wahrscheinlich mit dem Mangan, oder auch mit dem Metall der Bittererde verbunden seyn mag.

7) Dafs blofs der Unterschied der Temperatur des Ofens, welcher in die- sem Fall absichtlich, durch das veränderte Verhältnifs einer und dersel- ben Beschickung zum Kohlesatz herbeigeführt ward, die grofse Ver- schiedenheit in der Zusammensetzung des Roheisens und der Schlacke bewirkte.

Eine solche Verschiedenheit der Temperatur wird aber fast bestän- dig, unabsichtlich und unvermeidlich statt finden, je nachdem sich die Wir- kung des Gebläses verändert, die Kohlen mehr oder weniger feucht sind, die Erze stärker oder schwächer geröstet werden, mehr oder weniger Bergart enthalten, die Kohlen- und Erzsätze mit mehr oder weniger Genauigkeit ge- geben werden und was dergleichen zufällige Umstände mehr seyn mögen; so dafs sich wohl behaupten läfst, dafs kein Erzsatz genau in derselben Tempe- ratur reducirt und geschmolzen wird, wie der andere. Aufserdem ist bei einer aus verschiedenartigen Eisenerzen zusammengesetzten Beschickung auch zu berücksichtigen, dafs die zur Reduction und zur Schmelzung erforder- lichen Temperaturen verschieden sind, so dafs häufig Fälle eintreten kön- nen, wo graues und weilses Roheisen gleichzeitig entstehen. Eisenerze, in

B2

12 KARrsTen

welchen das Oxyd sich als ein Silikat befindet, gelangen schwer zur Re- duetion, und die dazu erforderliche Temperatur ist zuweilen (Eisenfrisch- schlacken) von derjenigen, in welcher das Erz flüssig wird, nicht sehr ver- schieden. Aus solchen Erzen läfst sich nur dann graues Roheisen darstellen, wenn sie Zuschläge erhalten, welche, indem sie die Kieselerde sättigen, zu- gleich die Schmelzbarkeit der Masse vermindern. Auch erfordern alle die- jenigen Eisenerze, welche das oxydirte Eisen im Silikatzustande enthalten, ein schwächeres Gebläse, um die Schmelzbarkeit der Masse zu vermindern und die Zeitpunkte der eintretenden Schmelzung und der Reduction einan- der näher zu bringen. Eben so ist oft ein unbedeutender Zusatz von Quarz oder von Sand, zu einer Beschickung aus welcher Spiegeleisen erzeugt wird, schon hinreichend, um durch Bildung einer strengflüssigeren Schlacke, graues Roheisen zu erhalten. Manches weifse Roheisen steht, in Rücksicht des Kohle- gehalts, dem Spiegeleisen so nahe, dafs man, um dieses zu erhalten, nichts weiter nöthig hat, als das Gebläse zu schwächen, theils um den Gichten- zug zu vermindern und dadurch die Aufnahme einer gröfseren Menge Kohle, welche sich mit dem Eisen verbindet, zu befördern; theils vielleicht auch, um das Kohleeisen dem starken Windstrom weniger auszusetzen. Die Schlacke von diesem Eisen unterscheidet sich von der des Spiegeleisens nur dadurch, dafs sie beim Erkalten auf der Oberfläche eine braune Haut ab- setzt, welche durch das schon geschmolzene und durch den Luftstrom wie- der oxydirte Kohleeisen gebildet wird. Ist die Schwächung des Gebläses nicht zureichend, so mufs die Temperatur durch Verminderung des Erzsatzes so weit erhöhet werden, dafs zuerst Spiegelflofs mit grauem Roheisen (mit grauer Nath) entsteht, worauf der Erzsatz vorsichtig so lange nach und nach verstärkt wird, bis die Bildung des grauen Roheisens aufhört und nur reines Spiegeleisen fällt.

Im speeifischen Gewicht, in der Festigkeit, Härte und im Verhalten zur Wärme, zeigen sich diese Roheisenarten sehr verschieden.

Das Spiegeleisen differirt im specifischen Gewicht von 7,214 bis 7,889, erreicht also fast das Gewicht des reinsten ausgeschmiedeten Gufsstahls, welches nach Pearson 7,916 betragen soll. Mit einer aufserordentlichen Härte verbindet dies Eisen eine grofse Sprödigkeit und eine sehr geringe Festigkeit. Es ist von allen Eisenarten das leichflüssigste und erstarrt daher am langsamısten.

über das Roheisen. 113

Das weifse Roheisen vom übersetzten Gange ist, wie schon die Ent- stehung desselben beweifst, eine schr unbestimmte Verbindung des Eisens mit Kohle. Es ist specifisch leichter, in Gränzen zwischen 7, 100 bis 7,700, weniger hart und weniger spröde wie das vorhergehende, auch strengflüssi- ger und erstarrt daher auch schneller.

Das graue Roheisen besitzt das geringste specifische Gewicht, in Grän- zen zwischen 6,400 bis 7,000. Es ist am wenigsten hart und besitzt die gröfste Festigkeit. Unter den Roheisenarten ist es am strengflüssigsten und erstarrt daher am schnellsten.

Beim Verschmelzen von Eisenerzen einerlei Art, die zufällig ungleich stark geröstet sind, sich in einem ungleichen Feuchtigkeitszustande befinden, oder bei deren Verarbeitung die Beschaffenheit der Kohlen von einer Gicht zur andern etwas abweicht, auch wohl die Erzsätze zufällig etwas ungleich ausfallen u. s. f. entsteht, bei einem gaaren Gange, häufig graues Roheisen neben dem Spiegeleisen. Beide Eisenarten vermischen sich nicht im Gestell des Ofens, sondern sie lagern sich sehr bestimmt nach der Verschiedenheit ihres specifischen Gewichtes über einander ab, so dafs das Spiegeleisen den unteren, das graue Eisen den oberen Theil des Abstiches bildet, wodurch das sogenannte Spiegeleisen mit grauer Nath entsteht. Die Leicht- und Dünnflüssigkeit des neutralen Kohleeisens und sein überwiegend gröfseres specifisches Gewicht, erleichtern diese mechanische Absonderung.

Auch beim Verschmelzen verschiedenartiger Eisenerze vermischen sich das graue und das weilse Roheisen nicht mit einander im Gestell; allein beide Roheisenarten trennen sich nicht so bestimmt, sondern sie scheinen ein Ge- menge von grauen und weilsen Theilen zu bilden, wodurch das sogenannte hal- birte oder getiegerte Eisen entsteht. Dieses verschiedene Verhalten hat einen doppelten Grund. Es wird nämlich entweder neben dem grauen Roheisen, das weifse Kohleeisen mit einem geringeren Kohlegehalt gebildet, welche beiden Arten im specifischen Gewicht weniger differiren, und sich daher auch nicht so bestimmt von einander trennen. Ein solcher Erfolg tritt dann ein, wenn wegen des verschiedenen Verhaltens der gattirten Eisenerze in Rücksicht der leichteren oder schwierigeren Reduction, ein gaarer und ein übersetzter Gang gleichzeitig statt finden, wobei die Schlacke auch weder gaar noch roh ausfällt. Oder es werden bei einem vollkommen gaaren Gange, Eisenerze von

8 abweichenden Mischungsverhältnissen verschmolzen und dadurch verschie-

14 KAıRsTten

dene Legirungen von Eisen und Mangan gebildet, wodurch sich die specifi- schen Gewichte des grauen und des weifsen Roheisens mehr mit einander ausgleichen und die vollkommene mechanische Trennung erschweren.

Obgleich sich beide Roheisenarten, die graue und die weifse, sowohl im Zustande der Flüssigkeit, als demnächst beim Erstarren, sehr bestimmt trennen und nicht mit einander vermischen; so läfst sich doch nicht wohl annehmen, dafs das Kohlemetall sich schon im geschmolzenen Zustande des grauen Roheisens von dem Eisen abgeschieden habe. Dafs beide Roh- eisenarten im flüssigen Zustande sich nicht mit einander vereinigen, kann so auffallend nicht seyn, indem sogar zwei Auflösungen eines und desselben Salzes in Wasser, von ungleichem specifischem Gewicht, nicht so leicht, son- dern erst nach erfolgtem Umschütteln oder Umrühren, eine homogene Flüs- sigkeit bilden. Wodurch aber die Trennung des Kohlemetalles von dem Eisen in dem grauen Roheisen veranlafst wird, wenn dasselbe erstarrt, da- von läfst sich bis jetzt noch kein Grund angeben.

Aus den Analysen des Roheisens würde für die praktische Anwendung hervorgehen, dafs man den Gang eines Eisenhohenofens immer so einzurich- ten habe, dafs weilses übersetztes Roheisen entsteht und dafs die Bildung des grauen Roheisens möglichst vermieden werden mufs, wenn dasselbe zur weiteren Verarbeitung zu Stahl oder zu Stabeisen bestimmt ist. Mangan und Silicium sind es aber nicht, die der Eisenhüttenmann zu fürchten hat, wenn er gutes Stabeisen erzeugen will, weil beide Metalle sich beim Verfrischen des Roheisens leicht abscheiden. Den nachtheiligsten Einflufs auf die Be- schaffenheit des Eisens äufsern ohne Zweifel der Schwefel und der Phosphor. In der hohen Temperatur, in welcher das weifse Roheisen sich in graues um- ändert, findet gleichzeitig, und wahrscheinlich ais die nothwendige Ursache dieser Umänderung, Schlacke statt. Dies scheint nach aller Erfahrung, welche auch durch die

die chemische Einwirkung des Kohleeisens auf die

Analyse der Schmelzprodukte eine Bestätigung erhält, der Zeitpunkt zu seyn, wo die Kohle des Eisens reducirend auf die Schlackenmasse wirkt und wo das aus der Schlacke reducirte Metall sich mit dem Kohleeisen verbindet. Enthielt die Schlacke, wie dies beständig der Fall ist, entweder Kalkerde oder Bittererde in ihrer Mischung, so tritt das redueirte Erdenmetall an den im Kohleeisen befindlichen Schwefel und bildet ein Schwefelsalz, welches sich nicht mit dem Eisen, sondern mit der Schlacke verbindet und auf diese

über das Roheisen. 15

Weise den Schwefelgehalt des Eisens vermindert. Dies ist der Grund, warum man bei Eisenerzen, die Schwefel oder schwefelsaure Verbindungen, welche sich wenigstens theilweise zu Schwefeleisen reduciren, in ihrer Mischung führen oder beigemengt enthalten, graues Roheisen zu erzeugen und den Vortheil, das an fremden Metallen und Erdbasen reinere weifse Eisen von einem übersetzten Gange darzustellen, aufzugeben genöthigt ist. Ob der Phosphor ein ähnliches Verhalten zeigt, darüber fehlt es bis jetzt noch an zureichenden Erfahrungen. Wie die schwefelsauren Eisensalze zu Schwefel- eisen, so werden auch die phosphorsauren Eisenoxyde zu Phosphoreisen reducirt, und wie das Schwefeleisen so tritt auch das Phosphoreisen mit dem Kohleeisen in Verbindung. Ob aber in der hohen Temperatur, in welcher die durch den Kohlegehalt des Eisens aus der Schlacke redueirten Basen der Kalkerde oder der Bittererde, dem Kohleeisen den Schwefel wie- der entziehen, ein solcher Austausch auch bei dem Phosphor statt findet, scheint deshalb problematisch, weil wiederholte Analysen von Schlacke, welche bei einem gaaren Gange von der Verschmelzung Phosphorsäure hal- tender Eisenerze gefallen war, nicht eine Spur von Phosphor oder von Phosphorsäure in dieser Schlacke auffinden liefsen, obgleich das auf dersel- ben Hütte erblasene graue Roheisen selbst, über fünf Prozent Phosphor ent- hielt. Sollte sich dies, von dem des Schwefels sehr abweichende Verhalten des Phosphors, durch fernere Analysen bestätigen, so würde sehr wenig Hoffnung vorhanden seyn, das Roheisen aus Eisenerzen welche Phosphor- säure enthalten, durch einen zweckmäfsig geleiteten Hohenofenprozefs zu verbessern. Dies wird aber bei einem, freilich nicht sehr grofsen Schwefel- oder Schwefelsäure -Gehalt der Erzbeschickung, wie oben gezeigt worden, allerdings möglich seyn, und es wird hieraus einleuchtend, wie nothwendig es ist, in solchen Fällen und vorzüglich bei der Anwendung von Koaks als Brennmaterial, stets auf die Erzeugung von sehr grauem Roheisen mit mög- lichst steifer Schlacke hinzuarbeiten. Auch dürfte sich daraus wohl erge- ben, dafs ein zu schneller Gichtenwechsel, bei solchen nicht gutartigen Erzen, oder bei der Anwendung von Koaks, besonders in niedrigen Öfen, nicht ge- eignet ist, das Roheisen möglichst vom Schwefel zu befreien, sondern dafs ein langsamerer Gichtenwechsel bei völlig gaarem Gange, nothwendig dazu beitra- gen wird, ein besseres und von Schwefel reineres Roheisen zu erhalten.

16 Kıaınsrtexn über das Roheisen.

Die Metalle der Alkalien sind bis jetzt noch nicht im Roheisen aufge- funden worden, auch das Kalcium scheint mit dem Eisen nicht in Verbin- dung zu treten, wenigstens habe ich die Kalkerde in den Auflösungen des Roheisens, welches bei den an Kalkerde sehr reichen Beschickungen erhal- ten war, nicht finden können. 'Thonerdenmetall habe ich ebenfalls vergeb- lich aufgesucht und von der Bittererde nur Spuren in den Auflösungen des grauen Roheisens und des weilsen Spiegeleisens gefunden. Arsenik ist glück- licherweise kein Begleiter von Eisenerzen die der Hüttenmann verarbeitet. Das Titan scheint sich mit dem Eisen in geringen Verhältnissen zwar häufig zu verbinden, ohne demselben jedoch wesentlich nachtheilig zu werden. Blei und Zink verflüchtigen sich wahrscheinlich in der Schmelzhitze des grauen Roheisens, denn sie lassen sich in dem Roheisen, welches aus bleii- schen und zinkischen Eisenerzen erzeugt wird, nicht auffinden. Ein geringer Chromgehalt des Roheisens kommt nicht selten vor, ist aber auf die Güte des Eisens nicht von Einflufs. Aber es ist vielleicht kein Roheisen vorhan- den, welches nicht mehr oder weniger Mangan enthält. Der Mangangehalt der Eisenerze wird zwar gröfstentheils verschlackt, allein er gewährt den Vortheil, dafs bei der Umwandlung des weifsen Roheisens in das graue, das Manganoxydul als der am leichtesten redueirbare Bestandtheil der Schlacke, von dieser an das Eisen zuerst abgetreten wird, wogegen bei nicht mangan- haltigen Eisenerzen, die Kieselerde aus der Schlacke redueirt wird und an das Roheisen tritt, indem sie sich, wenigstens in Verbindung mit Eisen, früher und in einer geringeren Temperatur zu reduciren scheint, als die Oxyde des Titan, des Magnium, des Kalcium und des Aluminium.

Welches aber auch die verschiedenartigen Substanzen seyn mögen, mit denen sich das Eisen bei der Ausschmelzung aus seinen Erzen verbindet; so ist es doch immer das Kohlemetall das dem Roheisen den eigentlichen Charakter giebt und dessen Abscheidung nothwendig ist, um dem Eisen die ihm eigenthümliche Dehnbarkeit, Zähigkeit und Geschmeidigkeit im Zu- stande des Stabeisens und des Stahls zu ertheilen. Nach der verschiedenen Menge und nach dem verschiedenen Verbindungszustande der Kohle mit dem Eisen, wendet man dazu verschiedene Mittel an, deren genauere Prü- fung ich mir bei der Untersuchung des Frischprozesses vorbehalte.

Uber

die natürliche Ordnung der Gräser.

von HE INK

nr...

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 15. December 1825.]

D ie Gräser machen eine natürliche Ordnung aus, welche seit den ältesten Zeiten als eine solche anerkannt ist. Das Wort Gras bezeichnet die Gestalt eines Gewächses, nicht die Gröfse und Ausdauer, wie Baum oder Strauch, auch nicht den Gebrauch, wie viele andere, und es mufs also die Gestalt der Gräser immer als ausgezeichnet vor allen andern Gewächsen anerkannt sein. Wirklich gehört auch die natürliche Ordnung der Gräser zu den seltenen, deren Ausdruck nach den Bestimmungen, welche in einer frühern Abhand- lung gegeben wurden, beinahe ganz aus beständigen Gliedern besteht. Unter den phanerogamischen Gewächsen ist mir keine natürliche Ordnung bekannt, in welcher jene Übereinstimmung i in einem gröfsern Maafse statt fände, und also keine, welche auf den Rang einer natürlichen Ordnung, in der eigent- lichen Bedeutung des Wortes, mehr Anspruch machen könnte, als diese. Unter den normalen Gewächsen, den Phanerogamen, sind die Gräser diejenigen, deren Theile auf der untersten Stufe der Entwicklung stehen. Die Wurzel ist eine Faserwurzel, wie an allen Monokotyledonen; die Wurzelchen sind klein und dünn, selbst an grofsen Gräsern, z. B. dem Zuckerrohr, auch kommen sie nicht nur an der Basis des Stammes, sondern überall hervor, wo sich der Stamm in der Erde befindet. Sie sind mit Haa- ren bedeckt, und zwar mit jenen einfachen nicht durch Querwände geschie- denen, stumpfen Haaren, welche sich an den Wurzeln vieler Pflanzen, kei- nesweges aber an allen Wurzeln befinden. Die äufsere Rindenschicht be- steht aus Parenchym, in welchem einzelne Bündel von Fasergefäfsen liegen, Phys. Klasse 1825. C

18 Lin x

und zwar so, dafs sie in den Zwischenräumen einer Zellenreihe hinabzusteigen scheinen. Innerhalb der äufseren Rindenschicht findet sich eine andere, sehr zarte aus Prosenchym (1) bestehend. Die Spiralgefäfse nehmen die Mitte ein, sind dort dicht gehäuft und fast ohne Fasergefäfse; ihre Windungen verwachsen früh, und glätten sich dabei ab, so dafs die Gefäfse an den Rän- dern eingekerbt erscheinen. Mark ist wie in allen wahren Wurzeln nicht vorhanden, dringt auch nie in die Wurzel der Gräser. Das Holz der Wurzel, aus lauter Spiralgefäfsen zusammengesetzt, ist sehr fest und fault nicht leicht. Diese Festigkeit des Holzes und seine verhältnifsmäfsig bedeutende Menge in jedem Wurzelchen macht dafs die ganze Wurzel nicht leicht fault, und wenn daher viele Wurzelchen in einen kleinen Raum zusammengedrängt sind, wie an den Cerealien, so verderben sie den Boden eben so sehr dadurch, dafs sie eine nicht leicht faulende Masse in der Erde zurücklassen, als durch das Aus- saugen desselben vermittelst der vielen Haare, womit sie bedeckt sind.

Der Stamm der Gräser ist dadurch ausgezeichnet, dafs es ihm durch- aus an Rinde fehlt. Nur der Stamm der Cyperoideen, der Scitamineen und der Orchideen hat dieselbe Bildung. Ein gleichförmiges Zellgewebe (Par- enchym) dessen Zellen nur gegen die Mitte nach und nach etwas gröfser werden, nimmt den ganzen Stamm ein. Die Bündel von Spiralgefäfsen und Fasergefäfsen stehen einzeln in Kreisen, und zwar in wechselnden Kreisen, so dafs eine gerade Linie aus dem Mittelpunkte nach dem Umfange gezogen nie durch zwei Gefäfsbündel in zwei nächsten Reihen geht. In der Mitte befinden sich zwei, drei, selten mehr grofse Spiralgefäfse, und eine unbe- stimmte Anzahl kleiner. Die Umgebung machen sehr viele Fasergefäfse, wo- durch die Pflanze ernährt wird. Es wachsen nie mehr Gefäfsbündel in der Pflanze heran, wenn sie gröfser wird; in der Jugend liegen die Bündel nur dichter zusammen, gehen nachher mehr auseinander und machen dem Zellge- webe (Parenchym) Platz, dessen Zellen ebenfalls sich nur auszudehnen, nicht zu vermehren scheinen. Der Stamm der Gräser unterscheidet sich in dieser Rücksicht gar sehr von dem Stamme der Palmen, der Dracaenaceen und der Aloeartigen Pflanzen. Gegen die Mitte des Stammes erweitert sich das Zell- gewebe sehr und stellt ein Mark dar, welches aber in keinen sichern Gren-

1 . . . (*) Ich nenne Prosenchym das Zellgewebe, dessen Zellen mit ihren Enden nicht auf- einander, sondern nebeneinander liegen. Siehe meine Element. Philos. Botan. p.77.

über die natürliche Ordnung der Gräser. 19

zen eingeschlossen ist. Sehr oft zerreifsen bei fortgesetzter Erweiterung die Zellen des Markes, und der Stamm wird hohl.

Die Gräser haben geschlossene ganze Knoten. Wo nämlich die Blät- ter mit ihren Scheiden anfangen, ist das Mark durch eine viel dichtere Schicht von Zellgewebe, sowohl von dem darüber als darunter befindlichen lockern Zellgewebe getrennt. Auch hat die Lage der länglichen Zellen eine andere Richtung bekommen; sie liegen nicht nach der Länge des Stammes wie ge- wöhnlich, sondern in die Quere (nodus clausus. Element. Philos. Botan. 8.95.). Das Blatt ist mit seiner Scheide rund umher angewachsen. Alle Pflanzen mit vollkommen scheidenartigen Blättern zeigen diesen Bau. Nur haben die Grä- ser angeschwollene Knoten, hingegen die Cyperoideen eingezogene. Der Un- terschied ist von Bedeutung; bei derselben innern Beschaffenheit des Kno- tens, streben die Gefäfsbündel im ersten Falle nach Ausdehnung, im letz- tern nach Zusammenziehung. Der hervorstehende Knoten ist ein verän- derliches Glied in dem Ausdrucke für die Gräser, denn Znodium oder Mo- linia (Melıca coerulea) hat unter den Gräsern zusammengezogene Knoten wie die Cyperoideen.

Alle Monokotyledonen pflegen oft den Stamm unter die Erde zu wer- fen und nur Blütenzweige hervorzuschiefsen; auch die Gräser, doch in einem geringen Grade. Viele Gräser bekommen nämlich zwiebelartige Knoten am unteren Theile des Stammes, wo er in der Erde sich befindet, z. B. Phalarıs coerulescens, nodosa, die Abänderung von Phleum pratense, welche Linne Phleum nodosum nennt, Avena bulbosa u.a.m. Sie dienen zur Vermehrung der Pflanze; sie entstehen in trocknem Boden als Zurückhaltung des Triebes, wodurch Behälter sich bilden, in welchen der Saft für die Entwicklung der Pflanze aufbewahrt wird; sie verlieren sich an feuchten fruchtbaren Orten. Die meisten Gräser treiben aus dem untern Theile des Stammes Nebenstämme, welche eine Seitenrichtung nehmen, die Erde durchboren und zuletzt sich umkehren und mit den Spitzen über der Erde hervordringen. Diese Stämme sind saftiger, da sie die Luft nicht austrocknet; sie sind blafs von Farbe, da sie vom Licht nicht getroffen werden, aber die Blätter entwickeln sich nicht an ihnen und die Blattscheiden erscheinen sogleich verwelkt; sie treiben Wur- zelchen, besonders an den Knoten, und das Gras wird dadurch kriechend. Diese Nebenstämme (stolones) entstehen, sobald die Pflanze verblüht ist; sie wachsen unter der Erde während des Winters, und mit dem ersten Frühlinge

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20 Lınmk

dringt die Spitze aus der Erde hervor und macht einen neuen Stamm. Im Winter führen diese Pflanzen ein unterirrdisches Leben, und der Sommer lockt sie erst über die Erde hervor, wie denn überhaupt, so wie das aus- dauernde Gewächs aufgehört hat über der Erde zu treiben, der Trieb unter der Erde anfängt.

Ein zusammengesetztes Zellgewebe habe ich sehr oft in der Epidermis des Stammes gefunden, wie es sonst nur in den Wasserpflanzen, oder den Blüten anderer Gewächse vorkommt. Die Gefäfse welche einen eigenen Saft führen, sind an den Gräsern, wie in allen Gewächsen, welche keinen gefärb- ten Saft führen, schwer zu erkennen. Sie fehlen indessen wohl nicht. Man bemerkt oft lange, gerade, an den Rändern gekerbte oder aus Zellen zusam- mengesetzte Gefäfse, deren Ähnlichkeit mit den eigenen Gefäfsen anderer Pflanzen so grofs ist, dafs man wohl auch diese dafür halten kann. Die ei- genen Gefäfse der Pflanzen überhaupt sind nämlich aus Zellen zusammenge- setzt, welche in einander münden, oder deren Querwände durchbrochen sind. Däfs sich der Zuckersaft der Gräser in den Zellen befinde, ist wohl kein Zweifel. In den Gräsern finden sich die Ringgefäfse gar häufig. Da sie an einigen Stellen deutlich in die Spiralgefäfse übergehen, so glaube ich noch immer, dafs sie aus diesen entstapden sind. Die Spaltöffnungen, wie man sie gewöhnlich nennt, liegen auf dem Stamme, wie auf den Blättern, in Reihen. Alles ist gereiht in den Gräsern, sogar die mit Grünstoff gefüllten Zellen.

Die Scheide des Blattes stellt die Rinde des Stammes vor, zwar nur ihren äufsern Verhältnissen nach, nicht ihrer inneren Zusammensetzung, denn sie hat Bündel von Spiralgefäfsen, wie die Blätter, welche der Rinde durch- aus fehlen. Um jeden Knoten ist rund umher die Scheide angewachsen, und es kann daher in der Ordnung der Gräser nur sehr genäherte, keine wirklich entgegengesetzte Blätter geben. Die Blätter der Gräser stehen in vielen Reihen; nur an den Gräsern, welche im tiefen Schlamme wachsen, findet man sie nach zwei Reihen hingedrängt (fol. disticha). Da die Knoten des Stammes in den unentwickelten Theilen einander genähert sind, und jeder seine Blattscheide hat, so stecken diese Blattscheiden in einander, und ein Querschnitt durch den Stamm trennt viele auf einmal, ein Kennzeichen, wo- ran man die erste Abtheilung der Monokotyledonen beim ersten Blicke un- terscheidet, zu welcher die Cyperoideen, Seitamineen, Orchideen u, s. w. ge- hören. Den Stamm der Gräser hat man Halm (culmus) genannt. Nun ist

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kein Grund vorhanden, den Theilen der Gewächse, so fern sie zu einer na- türlichen Ordnung gehören, besondere Namen zu geben, wenn nicht der Theil auf eine besondere Weise gebauet ist. Der Name Halm läfst sich allein rechtfertigen, wenn man ihn auf die eben erwähnte Bildung bezieht, in welchem Falle man ihn auf den Stamm der Orchideen u.s.w. ausdehnen mülste. Übrigens haben die Blattscheiden durchaus den Bau der Blätter.

Ein Blattstiel ist äufserst selten vorhanden, auch stellt die Blattscheide nicht den Stiel vor, denn die einzigen Blattstiele in dieser Ordnung, die lan- gen von Pharus, die kurzen von Olyva, sind unten in eine Blattscheide er- weitert. Oben wo die Blattscheide sich endigt, ist sie oft zusammengezogen, gleichsam Anfang des Stieles. Die Blattscheide ist gespalten, meistens bis an den Knoten. Adanson bemerkte zuerst, dafs dieses an Melica nicht der Fall sei. Nach ihm ist zuerst wiederum Herr Dupont (Journ.d. Phys. 89. p. 24.) auf diesen Gegenstand aufmersam gewesen. Er hat gefunden dafs an manchen Gräsern die Scheide gar nicht gespalten ist, an anderen bis unter die Hälfte, an noch anderen bis über die Hälfte, an den meisten ganz. An allen, deren Blattscheiden er ungespalten angiebt, finde ich doch den Anfang einer Spalte; am wenigsten indessen an Poa aquatica.

Zwischen Blatt und Scheide tritt ein Häutchen oft hervor, welches die Neueren Zigula genannt haben. Linne bediente sich dieses Ausdrucks zuerst in seinen Vorlesungen über die natürlichen Ordnungen ; in der Philosophia botanica sagt er unrichtig stipula intrafoliacea. Leers und Pollich gebrauch- ten ihn zwar später als Linne seine Vorlesungen hielt, aber früher als sie in Druck erschienen. Die beiden trefflichen Beobachter benutzten auch die- sen Theil zur Unterrcheidung der Arten. Er ist eine Fortsetzung der innern Haut der Scheiden und des Blattes, also eine Duplicatur derselben. Gefäfs- bündel habe ich darin nicht gefunden, auch keine Spaltöffnungen, wohl aber an deren Statt bläschenartig hervortretende einzelne Zellen. Dieses Blatthäutchen ersetzt also keinen anderen Theil, sondern ist wie die Haare, Stacheln und ähnliche Theile, nur ein Auswuchs zu den Bedeckungen ge- hörig. Gar oft wird es durch Haare ersetzt, welche ohne Querwände sind.

Das Blatt selbst ist, wie bekannt, immer einfach, am Rande nicht ein- geschnitten; der knorpliche Rand aus länglichen, von den anliegenden gar verschiedenen Zellen hat oft scharfe Spitzen, wodurch das Blatt gleich einer Säge, sehr verwunden kann. Aber diese Zähne sind als Ansätze zu betrachten,

232 Lunx

wie die Stacheln u. s. w., denn sie bestehen aus der knorplichten Substanz des Randes, aus blofsen, einfachen, zugespitzten Zellen ohne Gefäfsbündel. Die Gestalt des Blattes ist schr einfach, über der Zusammenziehung der Blatt- scheiden erweitert sich das Blatt schnell, und läuft dann verschmälert der Spitze zu. Dieses ist die gewöhnliche Form. Es giebt einige Ausnahmen, wo die Erweiterung sehr langsam nach und nach geschieht, wie an einigen Arten von Andropogon und Panicum. Selten zieht sich die Scheide gar nicht zusammen, sondern geht ohne Unterbrechung in das Blatt über, wie an Sporobolus diandrus. Die Verschmälerung gegen die Spitze nimmt an einigen Gräsern schnell zu, vorzüglich an einigen Panieum-Arten, welche zuwei- len folia oblongo-lanceolata haben; an den meisten geschieht dieses langsam. Die Nerven laufen von der Basis des Blattes bis ans Ende in einer geraden und parallelen Richtung fort, ohne Äste. Verschmälert sich das Blatt an der Basis schnell, so machen sie dort einen kleinen Bogen und gehen dann wie- der in gerader Richtung weiter. Gegen das Ende, wo sich das Blatt immer verschmälert, hören die Nerven nach und nach auf, die äufseren eher, als die innern; keine dringt bis zum Rande. In einigen wenigen kommen die Sei- tennerven aus dem untern Theile des Hauptnerven, und bei einigen gehen sie sogar bis gegen die Mitte aus dem Hauptnerven hervor und das Blatt nä- hert sich dem Blatte der Scitamineen z.B. wie Panicum plicatum.

Ehe sich die Blätter entwickeln sind sie von einer Seite her in der Regel eingerollt. Linne sagt: dafs Dactylis glomerata nur zusammenge- schlagene Blätter (f. conduplicata) habe, und macht aufmerksam auf diese Bildung, welche, meint er, zur Bestimmung der Unterabtheilungen dienen könne. Der Wink des trefflichen Beobachters ist nicht benutzt worden. Ich habe gefunden, dafs Linn€’s Bemerkung von der Gattung Dactylis gilt, wenn man die etwas anders gebildeten D. repens, littoralis und fasciewlarıs Smidt. sondert, welche eingerollte Blätter haben. Aufser diesen habe ich nur an Avena planieulmis, pratensis, pubescens diese zusammengeschlagenen Blätter bemerkt. Die Blätter sind rechts oder links eingerollt, doch scheint dieses nicht beständig.

Der innere Bau der Blätter zeigt manche Sonderbarkeiten. Die Ner- ven ziehen sich sowohl an der obern als der untern Seite hin, doch die ersten feiner und in einer viel geringern Anzahl. Die feinen Nerven überhaupt, so- wohl die auf der obern als der untern Seite, haben ihre Gefäfsbündel in der

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Mitte mit Spiralgefäfsen, nicht so der Hauptnerve. Ihn umgeben Gefäfs- bündel in einen Bogen gestellt, und die Mitte nimmt lockeres Zellgewebe ein, so dafs er auch oberflächlich betrachtet sich ganz anders zeigt, als die übrigen Nerven. Im Innern des Blattes liegt das Zellgewebe (Parenchym) regelmäfsig vertheilt. Elliptische Bogen vom grüngefärbtem Zellgewebe lie- gen zwischen den ungefärbten Zellen und kehren ihre offene Seite der obern Blattfläche, mit welcher sie in Verbindung stehen, ihre gewölbte der untern zu, von welcher sie etwas entfernt sind. Das ganze Blatt ist mit einer Schicht von grünen Zellen umgeben; auf ihm befinden sich in Reihen die Spalt- öffnungen, welche oft ziemlich grofs und mit der Lupe schon zu erkennen sind. Auch hat sie Guettard bereits als Glandeln aufgeführt, welche sich sonst sehr selten in dieser Klasse finden.

Ehe wir zu der Blüte der Gräser übergehen, wollen wir einige Be- merkungen über die Knospenbildung derselben machen. Das Fortwachsen der Gräser geschieht wie bei allen Pflanzen durch Knospen, welche sich am Ende des Stammes entwickeln. Die meisten Pflanzen sind jährig oder Stau- dengewächse, und es entsteht an der Wurzel eine zusammengesetzte Knospe, welche, wie dieses auch bei andern Pflanzen oft der Fall ist, alle Ansätze künftiger Zweige nur zusammengeschoben hervorbringt. Da diese Ansätze durch Knoten an den Gräsern bezeichnet sind, so erkennt man sie sehr leicht. Die oberen Glieder entwickeln sich mehr als die unteren, und die letzten bleiben daher mehr zusammengeschoben. Die Zahl dieser Glieder oder der Endäste ist bei derselben Art doch nicht immer dieselbe, aber es ist oft schwer die Zahl zu ermitteln, da die unteren Knoten sehr zusammen- geschoben sind. Die strauchartigen Gräser in unsern Gewächsen treiben aus der Spitze keine neue Knospen, wie es mir scheint, sondern sind nur Ent- wicklungen der schon vorgezeichneten Knospen, unterscheiden sich also nur in der Dauer von den Stauden, nicht in Bildung. Unsere einheimischen Gräser sind selten ästig, wenn man nicht die unten am Stamme hervorkom- mende Nebenstämme für Äste halten will. Sie kommen zwar wie diese aus dem Winkel der Blattscheiden hervor, gehen aber entweder als Ausläufer in die Erde, oder als Stämme gerade in die Höhe, ohne einen bestimmten Win- kel des Astes zu bilden. Auch kommen seitwärts aus den Ausläufern Neben- stimme hervor, welche wie die vorigen gerade in die Höhe steigen. Die

8 Knoten sind endlich unten an den Stämmen und Nebenstämmen weit mehr

24 Lısk

zusammengedrängt als an den Ästen. Dagegen haben die tropischen Gräser sehr viele Äste, auch schon die Gräser des wärmern Europa. Unter den ein- heimischen ist 4grostis alba sehr ästig, und hat sich daher den Ökonomen als Fioringras empfohlen. Der Ast entsteht aus einer wahren Knospe ; die unte- ren Blätter sind nämlich kleiner und gehen in Deckblätter über. Solche Deck- blätter oder Scheiden, denn das Deckblatt ist immer ein verstümmeltes, nicht ausgebildetes Blatt, sind hier eins oder zwei. Das eine steht immer an dem Ursprunge des Astes auf der innern Seite, gerade dem Blatte gegen- über, aus dessen Winkel der Ast hervorkömmt. Aufser diesem kleinen Deckblatte steht noch eins an der Seite, so dafs diese beide mit dem unter- stützenden Blatte die Dreizahl der Monokotyledonen bilden.

Der Blütenstand der Gräser verdient unsere besondere Aufmerksam- keit. Sehr scharfsinnige Bemerkungen darüber hat Herr Trinius in seiner Dissert. bot. de Graminibus unifloris et sesquifloris. Petrop. 1824. 8. gemacht. Er unterscheidet zuerst spica oder spicula von caduceus; jene hat eine Spin- del (axis), welche in regelmäfsig kurzen Absätzen gegliedert ist, und jedes Glied bringt aus der Basis wechselseitig die Blüten hervor, daher sich auch das Glied unter seiner Blüte sondert; dieser hat eine Spindel, welche eben- falls in regelmäfsig kurzen Absätzen gegliedert ist, aber jedes Glied bring aus seiner Spitze sitzende oder kurz gestielte Blüten hervor, und es löst sich das Glied über der Blüte ab. Trinius erläutert dieses durch das Bei- spiel seiner Zprphystis, wo die Spindel nur eine Zusammensetzung von Blü- ten ist. Es scheiut mir aber, dafs man auf den Bau des Knotens zurückge- hen müsse, um die Inflorescenz der Gräser hier zu erläutern. Nur die End- blüte einer Ähre ist als die Zerlegung des Stammes anzusehen, alle Seiten- blüten sind als Äste zu betrachten.

Nun entsteht, wie wir eben gesehen haben, die Knospe oder der Anfang des Zweiges immer aus einen Blattwinkel: ein allgemeines Gesetz, welches nur Ausnahmen durch Verkümmerung oder Verschiebung des un- terstützenden Blattes erleidet. Hier an den Gräsern, ist der Unterschied, dafs sich an einigen die Glieder der Spindel an den Knoten oder eigent- lich über der Scheidewand derselben lösen, folglich auch über der Blüte, oder dem Ährchen, welches aus der Scheidewand hervortritt. An ande- ven hingegen löset sich die Blüte oder das Ährchen geradezu von seinem Unterstützungspunkte, folglich geschieht die Lösung unter der Blüte. Immer

über die natürliche Ordnung der Gräser. 25

entsteht die Knospe an der Seite des Gliedes, sie kann nicht anders ent- stehn, und wenn es so scheinen möchte, so rührt dieses daher, dafs der Stiel des Ährchens mehr oder weniger entwickelt ist. An den Caduceatis lösen sich die Glieder der Spindel selbst, über der Scheidewand des Knotens, wie immer, und da das Ährchen an der Scheidewand des Ährchens hervorkomnt, über demselben; an den Spicatis löset sich das Ährchen von dem Gliede selbst, also geschieht die Lösung unter dem Ährchen. Auf eine ähnliche Weise lösen sich an Poa die Glieder der Spindel des Ährchens, an Eragrostis dagegen löset sich nur das Blütchen von der Spindel.

Epiphystis scheint zwar eine Zusammensetzung von blofsen Blüten. Aber ist hier nicht der Stamm in den Nerven der einen Klappe zusammenge- drängt? An vielen Gräsern wird die Spindel durch die Trennung der Blüte oder des Astes so verschmälert, dafs es nur eines Verwachsens mit der in- neren Klappe bedürfte, um eine Übereinanderstellung der Blüten zu zeigen. Trinius hat vergessen, die Blüten anatomisch zu untersuchen um den Bau gehörig ins Licht zu setzen. Die Opuntiae haben einen so flach gedrückten Stamm, dafs er blattartig scheint, aber er ist und bleibt ein wahrer Stamm.

Der Unterschied zwischen panicula und juba, wie Trinius ihn be- stimmt, ist aber sehr richtig und von Bedeutung. An der ersten ist die Axe besonders nach unten in bestimmten Zwischenräumen gegliedert, und sendet aus einem Punkte mehr als einen Stiel aus; an der zweiten ist die Axe nicht gegliedert, und die Stiele kommen einzeln und zerstreut aus der Axe hervor. Es ist hier der Unterschied zwischen einem ganzen und zertheilten Knoten, wie ich ihn Element. Philos. Botan. 8.95. angegeben habe. Die juda hat einen zertheilten Knoten, und die Rispen, wenn sie nach oben sich ver- ästeln, gehen zu der Form der Dikotyledonen über, so wie die juba sie schon angenommen hat. Es ist nicht ungewöhnlich, dafs die Pflanze in den oberen Theilen eine höhere Form annimmt. Die Unterscheidung von thyrsus als einer zusammengezogenen juba ist ebenfalls in der Natur gegründet.

Diesen Unterscheidungen will ich noch hinzufügen, dafs bei der Rispe entweder allen Zweigen, welche aus einem Punkte entspringen, nur zusam- mengenommen ein Ausschnitt in der Spindel entspricht (rachıs excisa), oder dafs für jeden Ast eine besondere Rinne vorhanden ist (rachis non excisa). Das erste findet bei Festuca statt, und ist zugleich ein gutes Kennzeichen dieser Gattung; das letztere bei Zromus und anderen.

Phys. Klasse 1825. D

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Crista nennt Trinius eine Inflorescenz, deren Axe ungegliedert, flachgedrückt oder dreiseitig ist, die Blüten an der untern Seite auf kurzen Stielen in zwei Reihen trägt, so dafs ihre äufsere Kelchklappe die obere ist; racemus, deren Axe ungegliedert, ziemlich rund ist, und die ungestielten oder kurzgestielten Blüten einseitig, oder fast einseitig so trägt, dafs die äufsere Kelchklappe die untere ist. Der letztere Umstand rührt von einer Drehung des Ährchens her.

Was nun aber die von Trinius bestimmten Kunstausdrücke betrifft, so glaube ich, dafs wir ihrer füglich entbehren können. Sie erschweren erst- lich die Wissenschaft, denn man kann eben so bequem sagen Panicula ramis sparsis und ramis fasciculatis wie juba und panieula, und dann sind sie auch gegen eine gute Methode. Man mufs mit einfachen Kunstwörtern anfangen, und in der Zusammensetzung schrittweise und behutsam fortgehen. Der Be- griff von Rispe (panzcula) ist ein verästelter Blütenstand, dieses ist die ein- fache Bedeutung. Fügt man Nebenbestimmungen hinzu, so entstehen Arten der Rispe von welchen eine juba sein kann, aber dann müssen auch die an- deren Arten gehörig bezeichnet werden.

Die Blüte ist eine Gemme oder Knospe; die Theile derselben verhal- ten sich zu einander, wie die Blätter welche aus einer und derselben Gemme entwickelt sind. Ich habe dieses schon früher in meinen Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen (S. 173.174.) und wiederum in den Element. Philos. Botan. p. 243. darzuthun gesucht. Es ist nun die Frage, wie verhalten sich die Blüten der Gräser zu den Blüten der übrigen Ge- wächse, Dafs die äufseren und unteren Klappen der ein- und vielblättrigen Gräser, hinter welchen sich Staubfäden und Staubwege befinden, die Blät- ter vorstellen, in deren Winkeln die Blüten, nämlich Staubfäden und Staub- wege hervorbrechen, fällt in die Augen. Sie gehören also zu einer andern Genmme als die Blüte. In den vielblütigen Ährchen scheinen sie selbst alle zu derselben Gemme zu gehören; sie haben die Stellung gegen einander, wie die Blätter eines und desselben Stammes oder eines und desselben Astes. Es verdienen daher diese zusammengestellten Blüten den Namen eines Ährchens (spieula). Aber wohin gehören die inneren Klappen, welche Staubfäden und Staubwege von der inneren Seite umschliefsen. Man rechnet sie schon seit langer Zeit mit der äufseren Klappe zu einem Theile, welchen Scheuchzer Ffollieulus, Linne corolla nannte, eben deswegen, 'weil beide Klappen zu-

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sammen die Bestäubungstheile einschliefsen. Rob. Brown meint, dafs diese innere Klappe aus zwei Theilen bestehe, weil sie gar oft zwei Nerven an der Seite, und eine häutige Mitte habe, und so mache sie mit der äufseren Klappe drei Blumenblätter. Turpin hat treffliche Bemerkungen über die- sen Gegenstand gemacht (Mem.d. Mus. T.V.p.426). Er vergleicht die in- nere Klappe mit der inneren kleinen Scheide der Blütenrispe an der Palme; er wird dadurch auf die Vergleichung mit der Scheide geführt, welche die Äste der Gräser von der inneren Seite einhüllt, und er zeigt nun gegen Brown dafs die äufsere Klappe mit der inneren nicht au me&me axe ou plutöt au m&me degre de vegetation gehöre. Was er so ausdrückt, habe ich dieselbe Gemme genannt. Ungeachtet Turpin diese innere Klappe nicht für einen Theil der Blumenkrone (corolla) hält, so glaubt er doch mit Brown, dafs sie aus zwei zusammengewachsenen Theilen bestehe und beruft sich dabei auf die innere Scheide der Palmenrispe, welche in einigen Fällen zweitheilig sei. Auch findet man die innere Klappe der Gräser an der Spitze zuweilen ge- theilt. Aber die beiden Nerven und die Zertheilung rühren von dem Drucke her, welchen die innere Klappe, theils von dem Umfassen der äufseren Klappe, theils von der Axe des Ährchens erleidet. Die innere stets einfache Scheide der Äste an den Gräsern man vergleiche sie nur an Agrostis alba hat so grofse Ähnlichkeit mit der inneren Klappe der sogenannten Corolla der Gräser, dafs man nicht einsieht, warum man hier eine ursprüngliche Theilung in zwei Theile annehmen soll. Die innere Klappe gehört also zur Gemme der Blüte, welche sich im Winkel der äufseren Klappe befindet, und beide Klappen zu verschiedenen Gemmen. Sie sollten also nicht zu einem Theile gerechnet werden, und einen Namen bekommen. Aber da die beiden Klappen zugleich die Bestäubungstheile einschliefsen, so mag man der Be- quemlichkeit wegen einen Namen annehmen. Ja die öftere Wiederholung des Ausdrucks dractea, oder auch spathella, wie Turpin will, würde nur Ver- wirrung erregen. Linne& nannte sie corolla, Jussieu calyx, Richard gluma, R. Brown perianthium, Palissot de Beauvois stragulum, Desvaux glu- mella. Die Namen calyx, corolla und periantkium sind unrichtig, gluma heifst bei den meisten Pflanzenkennern der Kelch, siraguwlum und glumella blei- ben allein übrig, und der letztere Ausdruck möchte wohl den Vorzug ver- dienen. Dafs Beauvois die einzelnen Klappen paleae nennt, führt zu einer unpassenden Zusammenstellung mit den paleae der zusammengesetzten Blüte,

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und ich sehe nicht ein, warum man den Ausdruck valvula verwerfen will. Zu- weilen fehlt die innere Klappe; ein im Ganzen unbedeutender Umstand.

Unter diesen Klappen, welche Bestäubungstheile einschliefsen, finden sich gewöhnlich zwei andere, hinter welchen sich dergleichen nicht befinden. Linn& nannte diese beide Klappen calyx, Jussieu gduma, Richard /epi- cena, Palissot de Beauvois tegmen und die einzelnen Klappen glumae. Der von den älteren Botanikern, z.B. Scheuchzer, schon angenommene Name gluma ist unstreitig der beste; jede Klappe heifst dann besonders valva. So stimmen valva und valvula, gluma und glumella leicht und be- quem zusammen. Panzer nennt peristachyum, was wir gluma, und bestimmt überhaupt die Theile nach ihrem groben oder zarten Bau. Sollte dieses Kennzeichen nicht zu schwankend und unsicher sein?

Die äufsere Klappe beider Theile ist immer die untere, die innere im- mer die obere. Sie sind Blätter, und das untere Blatt umfafst immer das obere. Män kann die Ausdrücke nach Belieben wählen, denn bald ist der äufsere Stand, bald der untere kenntlicher, und eben so bald der innere, bald der obere.

Zuweilen findet man eine oder die andere überzählige Klappe. Rob. Brown hat zuerst richtig ihre Bestimmung nachgewiesen; sie sind An- fänge, nicht entwickelter Blüten. So schrieb Linn Panicum einen dreiklap- pigen Kelch zu, aber die innerste Kelchklappe ist der Anfang einer Blüte; ja man sieht oft auch die innere Klappe zu dieser äufseren entwickelt, und das Ährchen wird zweiblütig. Die inneren Klappen an Phalaris zeigen den Über- gang zum vielblütigen Ährchen. In Anthoxanthum deuten die beiden von Gluma und Glumella sehr verschiedenen, rauhen, braunen und gegrauten Klappen auf Blüten von anderm Geschlecht als die mittlere und stellen die Pflanze in die Nähe von Heleochloa.

Der innere Bau dieser Theile ist völlig wie der Bau der Blattscheiden, nur werden die Spaltöffnungen desto seltener, je mehr die Theile nach in- nen liegen.

In der Gluma findet man eine oder mehr Blüten oder Glumellen. »‚Wodurch wird ein Gras in der That (nicht abänderlich) einblütig,’” frägt Trinius de Gr. unifl.p.24. Dadurch, antwortet er: dafs die Blüte nur aus einem nicht aus mehreren Internodien besteht. Das Kennzeichen des inter- nodium ist der callus, welcher sich an vielen unter der glumella findet, und

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diese sind sesquiflora. Wir können dieses dem Verfasser nicht zugeben. Wie oft ist ein internodium zugegen ohne callus, wie die Ähren axi continan zeigen. Die glumella ohne callus löset sich an vielen sehr wohl vom Kelch, also mufs ein internodium da sein. Zur Unterscheidung der Gattungen mag also der callus wohl dienen, aber nicht zur Begründung solcher Abtheilungen. Der callus ist nur eine stärkere Bezeichnung des Knotens, wie er auch am Stamme, bei einigen mehr, bei anderen weniger, bei Molinia gar nicht hervortritt.

Sehr oft sind die glumellae, selten die glumae mit Grannen, aristae, versehen. Palissot de Beauvois unterschied Borsten von Grannen, und hat sogar danach Gattungen bestimmt; jene sollen von Nerven entspringen, diese nicht. Ich habe in den Element. Philos. Botan. 8.156. gezeigt, dafs dieser Unterschied nichtig ist. Immer entstehen diese Verlängerungen aus Nerven, und werden desto zarter und unscheinbarer je mehr sie von anderen äufseren Theilen bedeckt sind. An Avena ist dieses gar deutlich zu sehen. Die Grannen bestehen aus Fasergefäfsen die Spiralgefäfse sind durch die Zusammenziehung verschwunden —, vom Zellgewebe (Prosenchym) umge- ben und mit einer Epidermis überzogen, worin sich auch Spaltöffnungen be- finden. Palissot de Beauvois hat auf die Gegenwart der Granne viel ge- rechnet in der Unterscheidung der Gattungen; sonderbar genug, da ihre Ge- genwart so unbeständig ist, dafs an einer Abänderung von 4grostis alba manche Ährchen auf derselben Pflanze gegrannt sind, manche nicht und zwar an un- bestimmten Stellen. Die Gegenwart der Granne ist also ein veränderliches Kennzeichen. Weniger ändert die Stelle der Granne unter der Spitze, in und unter der Mitte ab.

Innerhalb der äufseren Glumellenklappe bemerkt man oft zwei kleine

Schuppen oder Blättchen dicht neben einander, von verschiedener Gestalt, doch meistens eiförmig ‚oder lanzettförmig, oft zart, häutig und weils, oft dicker und etwas saftig. Micheli erwähnte ihrer zuerst, Linne rech- nete sie zu den Nectarien, übersah sie aber sehr oft. Schreber folgte Linn& in der Benennung, untersuchte sie aber sehr genau, stellte sie jedoch in seinen Abhandlungen in natürlicher Gröfse, folglich so klein vor, dafs man ihre wahre Gestalt nicht erkennt. Richard nennt sie glumellulae und die einzelnen Theile paleolae, Palissot de Beauvois lodiculae, welchem Trinius folgt. Die meisten Schriftsteller bezeichnen sie kurz durch squamae.

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Eine dreifache Meinung herrscht über diese Theile. Dieverste reiht'sie der gluma und glumella an, wie die obigen Benennungen beweisen. Aber der Bau widerspricht:ganz; sie sind zart,. bestehen aus Zellgewebe, und haben gar keine Gefäfsbündel, auch die Stellung stimmt nur dann überein, wenn man die beiden Schuppen für eine hält. Diejenigen, welche sie für Necta- rien halten, verstehen darunter wahrscheinlich Nectarien, wie sie um die Fruchtknoten zu sitzen pflegen, von der Art, welche ich perigynia nenne. Allerdings stimmt der Bau vortrefillich damit überein, nur kommt es darauf an, ob sie innerhalb oder aufserhalb der Staubfäden stehen. Man darf nur die Blüte eines Grases sorgfältig zergliedern, so wird man bald gewahr wer- den, dafs sie die Staubfäden umgeben, und sich an der Stelle befinden, wo man sonst die Blumenkrone (corolla) sucht. Auch giebt es einige Gattungen, wo nicht zwei, wie gewöhnlich, sondern drei solcher Schuppen vorhanden sind, welche dann eine entwickelte Blume darstellen. Da indessen der Bau von dem Baue eines Blumenblattes sehr abweicht, so rechne ich sie zu den Theilen, welche ich parapetala nenne, wie ich schon in den Element. Philos. Botan. (8. 156.167.) ausgesprochen habe. An der Basis sind sie gewöhnlich saftig, mehr oder weniger, zuweilen sogar gewölbt; die Spitze ist gar oft zweizähnig, ja nicht selten sieht man mehr Zähne. Versteht man also unter dem Ausdrucke Nectarien solche Theile, welche zwischen Blumenblättern und Staubfäden, oder an der Stelle der erstern sitzen, so hat man ganz Recht, sie so zu nennen. Auch habe ich den Namen parapetala nur darum gewählt, um sie von dem vieldeutigen Worte Nectarium zu unterscheiden. Eine sonderbare Meinung sowohl über diese Theile, als über den Bau der Gräser überhaupt, hat Herr Raspail geäufsert (S. Annal.d.scienc.naturell. T.IV. p. 271.422. T.V.p. 287.433). Er geht in seiner Theorie von dem Bau der inneren Blumenklappe aus. Sie hat, besonders an den vielblütigen Ähren, wo hinter ihr die Spindel des Ährchens in die Höhe steigt, zwei Ner- ven, welche an den Seiten in die Höhe steigen, und die Mitte ist nervenlos. Es hat sich also, sagt Herr Raspail jene Spindel auf Unkosten des Mittel- nerven gebildet; der Mittelnerve hat sich von der Klappe gesondert, und macht nun die Spindel der Axe aus. Er wendet diese Beobachtung auch auf andere Theile an. Die Nectarien oder Schuppen von welchen eben die Rede war, hält er für die Überbleibsel der Staubfäden, die sich von dem Häutchen getrennt und jene Schuppen zurückgelassen haben. Seine Schlüsse am Ende

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der Abhandlung, über die Bildung des Embryo, sind folgende: Der Em- bryo ist nur die Spitze eines Zweiges, welcher durch die Wirkung der Anthe- renflüssigkeit von der Stelle, wo er befestigt war, losgerissen, und in einem unteren Blatte eingeschlossen geblieben ist, dessen Zellgewebe mit Stärk- mehl gefüllt, ihm zum perispernuum (Biweils) dient. Dieser losgerissene mitt- lere Nerve nährt die Pflanze aus dem Eiweifs (perispermium) und macht daher den wahren cotyledon aus. Durch die Befruchtung wird der Mediannerve von dem Blatte losgerissen. Der Griffel und die Narbe sind nur die unentwickelt gebliebenen Verlängerungen des Halms (chaume terminal).

Wenn Herr Raspail die innere Klappe irgend einer Grasblume und die daran liegende Spindel genau untersucht hätte, so würde er sich von dem Ungrunde seiner Meinung bald überzeugt haben. Die Nerven in den Blü- tenklappen der Gräser, so wie auch in den Blättern, bestehen aus einem Ge- fäfsbündel, und dieser enthält Fasergefäfse und Spiralgefälse wie gewöhnlich. Wäre also die Spindel ein, von der inneren Klappe getrennter Mittelnerve, so müfste sie aus einem Gefäfsbündel bestehen, mit den Umgebungen, welche der Nerve auf seiner Oberfläche hat. Aber die Spindel ist ganz anders ge- baut. Sie besteht wie der Stamm aus mehreren Gefäfsbündeln im Umfange und lockerem Zellgewebe in der Mitte; ist daher oft hohl. Gewöhnlich sind drei Gefäfsbündel vorhanden und zwar eins auf der convexen, von der in- neren Klappe abgekehrten Seite, zwei auf der flachen, dieser Klappe zuge- kehrten Seite. Gerade also, wo der Gefäfsbündel in der Mitte der Klappe fehlt, findet sich in der Spindel ebenfalls keiner; ja wenn die beiden Seiten- nerven nach der Mitte der Klappe zu liegen, befinden sich die beiden Ner- ven der Spindel den Nerven der Klappen gerade gegenüber. An jedem viel- blütigen Grase, an 4gropyrum, Avena, Bromus, wird man sich leicht von der Richtigkeit dieser Angabe überzeugen können. Woher die beiden Ge- fälsbündel, da doch die ganze Spindel nur ein von der Klappe getrennter Gefäfsbündel sein soll?

Es ist also weit mehr der Natur der Sache angemessen zu sagen, dafs die Abwesenheit des mittleren Nerven der inneren Blumenklappe, durch den Druck der Spindel hervorgebracht sei. Herr Raspail führt zwar seine Gründe an, um diese von Cassini geäufserte Meinung zu widerlegen. Druck, sagt er, kann kein Gefäfs zerstören, und hier würde das Schwächere das Stärkere verdrückt haben, denn das Stielchen am Rücken der Klappe ist

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oft zarter als der Mittelnerve derselben unter anderen Umständen ist. Aber das Erste versichert Herr Raspail ohne es zu beweisen, und im zweiten Falle, der überdies der seltnere ist, denn in der Regel übertrifft doch die Spindel die Dicke des Mittelnervens bei weitem, weifs ja Herr Raspail nicht, ob der Mittelnerve nicht gerade hier ursprünglich viel dünner war. Es ist auch hier nicht von der blofsen mechanischen Einwirkung des Drucks die Rede, sondern von der dynamischen, der verhinderten Entwickelung des Gefäfsbündels. Wir sehen aber ganz deutlich, besonders an den Haferarten, dafs die Nerven der Blumenklappen, da wo sie von der Kelchklappe bedeckt werden, schr zart, kaum sichtbar sind, hingegen da, wo die Bedeckung auf- hört, plötzlich eine beträchtliche Dieke annehmen. Da ein geringer Druck die Entwicklung des Gefäfsbündels so bedeutend verhindern kann, so wird auch ein stärkerer die Entwicklung ganz aufheben können. Indessen mag auch die Einbiegung zur Verhinderung der Entwickelung beitragen.

Herr Raspail hat auch auf die Gegenwart der Mittelrippe in der oberen und inneren Blumenklappe seine ganze Eintheilung der Gräser ge- gründet. Das ist ein willkührliches Herausgreifen eines Kennzeichens. Es hat die Unbequemlichkeit dafs der gröfste Theil der Gräser auf die eine Seite fällt, ein schr kleiner auf die andere; die meisten Gräser haben eine innere Blumenklappe ohne Mittelrippe und sind parinerviae, die wenigsten haben eine solche, imparinerviae. Genau hat Herr Raspail auch nicht immer gesehen; er spricht der inneren Klappe an Phalaris die Mittelrippe ab, da sie doch wirklich vorhanden ist, nur tritt sie auf der Oberfläche nicht hervor.

Übrigens kommen diese inneren Blumenklappen und die Axe der Spindel aus einem und demselben Knoten hervor, und gehören zu derselben Gemme. Es ist hier wie beim Stamme. Die äufsere Blumenklappe (valvula) gehört zum unteren Ast, und hat in ihrem Winkel, zwischen sich nämlich und der Fortsetzung des Stammes, die Gemme. Diese Fortsetzung ist die Spindel, die Gemmen sind die inneren Blumenklappen mit den übrigen in- neren Blütentheilen, und so ist die Analogie der inneren Blumenklappe, mit dem inneren (ersten Blatte) der Gemme, welches eben so sich nicht voll- kommen entwickelt, sehr deutlich.

Da nun der Grund der ganzen Theorie wegfällt, so ist es nicht nö- thig, sich bei den Folgerungen aufzuhalten. Doch muls ich einen Irrthum

über die natürliche Ordnung der Gräser. 33

berichtigen, den Herr Raspail in Rücksicht auf die parapetala begeht. Er behauptet nämlich, dafs diese Schuppen nicht mit den Staubfäden wechseln, sondern hinter jedem Staubfaden eine Schuppe stehe, damit der Staubfaden der Mittelnerve der Schuppe sei. Aber der wahre Stand ist wirklich wech- selnd. Zwischen den beiden Schuppen, und da, wo sie mit dem Rande sich berühren, liegt der dritte Staubfaden; die beiden stehen zur Seite, und wenn auch die breite Schuppe sie bedeckt, so liegen sie noch neben der Stelle, wo die Schuppen aus dem Fruchtboden hervorkommen. Die Theorie des Herrn Raspail findet also auf diese Schuppen keine Anwendung. Übri- gens hat er sie an vielen Gräsern beschrieben, und der Tadel, den er über Palissot de Beauvois ausspricht, ist sehr richtig; alle diese feineren Theile werden von dem letzteren Schriftsteller so schlecht beschrieben, dafs man sich nie darauf verlassen kann.

Die Staubfäden weichen von dem gewöhnlichen Bau gar nicht ab, und die Antheren der Gräser sind sehr ausgebildet. Die Zahl ist gewöhnlich drei, und diese stehen auf der äufseren Seite des Fruchtknotens hinter der äufseren und unteren Blumenklappe. Durch sechs wird erst der ganze Umfang um den Fruchtknoten ausgefüllt, und so viel sind auch an manchen Gräsern vor- handen. Zuweilen fehlt ein Staubfaden von dreien, gewöhnlich der vordere, und die beiden zur Seite des Fruchtknotens sind geblieben; in einigen Fäl- len fehlt auch noch einer der letzteren.

Die Staubwege haben den gewöhnlichen Bau. Dafs sie zwei Gefäfs- bündel haben ist nichts besonderes; die Mitte eines jeden Staubweges nimmt Zellgewebe ein, und an den Seiten laufen die Gefäfsbündel, zwei oder mehr hinab. Ich habe dieses in den Element. Philos, Botan. 8.175. gezeigt. Ge- wöhnlich sind zwei Staubwege vorhanden, oder ein Staubweg, aber zweige- theilt; sehr selten ist er einfach (Nardus), und auch selten sieht man drei Staubwege (Phleum trigynum u.a.m.). Zuweilen findet man eine wieder- holte Theilung (G/yceria u.a.m.). Die Staubwege sind bis unten mit Haaren besetzt. Die Haare haben Querwände und bestehen eigentlich aus sehr klei- nen runden Gliedern, sind folglich zusammengereihte Papillen. Ihre Länge ist verschieden ; entweder sind sie alle kurz (st. pilosus auch subpilosus) oder alle lang (st. plumosus), oder sie sind unten kurz und oben lang (st. penicillaris). Herr Raspail tadelt diese Bestimmungen, weil sie in einander übergehen ;

Phys. Klasse 1825. E

34 Lı'n &

er unterscheidet nur Stigmata sparsa und disticha. Stigma nennt er nämlich jedes einzelne Härchen. Nun stehen diese Härchen aber niemals in zwei Reihen, wie man an den grofsen Staubwegen von Alopecurus (der Stigmata disticha haben soll), schon mit einem mäfsig vergröfsernden Glase schen kann. Sind aber diese Härchen lang, so scheiteln sie sich, und wenn man eine Eintheilung mit ungewissen Grenzen haben will, so mufs man diese wählen. Raspail’s System der Gräser gründet sich auf die oben angeführte Zahl der Nerven in der oberen Blumenklappe, dann auf die eben erwähnte Gestalt des Griffels, ferner auf den Blütenstand, endlich vorzüglich auf die Nerven der Klappen überhaupt, und die Gestalt der Schuppen (parapetala). So ist er unter andern zur Gattung Cynodon gekommen, welche begreift: Eragrostis, Jeptochloa, Poa sect. trinervia, Phragmites, Donax Beauv., Cy- nodon, Diplachne, Mühlenbergia Schreb., Eleusine, Chondrosium, Campulo- sus, Spartina Schreb. Ohe jam satis est!

Die beiden Staubwege liegen oft dicht zusammen und machen bei- nahe einen aus, so dafs der Übergang zur Monogynia leicht ist; sehr oft aber sind sie ziemlich weit von einander getrennt, so dafs der obere Theil des Samens zweispitzig erscheint. Aber die Gefäfsbündel von beiden Staubwegen kommen auch bei diesen gar oft zusammen und vereinigen sich in einen, welcher in der Furche des Samens herab zum Embryo läuft. Wo keine Furche vorhanden ist, sieht man die beiden Bündel in einiger Entfer- nung über den Samen hinlaufen. Es ist hier von einem Dreifachen keine Spur, sondern die Theilung der Staubwege ist ein neuer Ansatz, wie die Entwicklung der Blüte über dem Fruchtknoten vieler Pflanzen. Wenn der Fruchtknoten sich vergröfsert, verschwinden diese Gefäfsbündel endlich ganz und gar.

Dafs der Same der Gräser kein nackter Same sei, hat zuerst Tre- viranus zu Breslau durch die Untersuchung des jugendlichen Fruchtknotens erwiesen. Dieses peridium verwächst aber nachher so sehr mit der zesta des Samens nicht allem, sondern auch mit der inneren Haut desselben und dem albumen, dafs man sie nicht mehr unterscheiden kann. Nennt man die Frucht der Cyperoideen eine caryopsis, so verdienen die Gräser doch einen anderen Namen, denn in jenen verwächst das peridium zwar mit der testa, aber die innere Haut mit dem Kern bleibt immer getrennt; eine Tren-

über die natürliche Ordnung der Gräser. 35

nung die bedeutend genug scheint, um darauf bei der Benennung Rücksicht zu nehmen. Auch geschieht an den Cyperoideen gerade das Gegentheil von dem, was an den Gräsern geschieht ; die äufserste Schaale oder das peridium wird dort gegen die Reife dicker und gefärbter, hier schwindet es immer mehr, und überzieht endlich als ein äufserst feines Häutchen die testa. Ich würde also der Frucht der Gräser einen andern Namen geben, und sie wegen der Ähnlichkeit mit dem Samen selbst, seminium Samenhülle nennen.

Der Kern des Samens besteht aus dem Eiweils, albumen, wie es Gärtner nennt, ein schr passender Name, viel besser als perispermium, wie Jussieu sagt, oder als epispermium, wie es Richard ohne Noth verändert hat. Auf der äufseren Seite, nämlich auf der der äufseren und unteren Blumenklappe zugekehrten, an der Basis, befindet sich der Embryo. Er liegt dort nicht frei, sondern er ist unten mit dem Schildehen oder dem Eidotter (seutellum oder vitellus Gärtn.) verwachsen. Dieses Schildchen bildet eine längliche Platte, hinten gar oft in einen vorspringenden Rücken erweitert, welcher sich in das albumen gleichsam einkeilt. Die Substanz dieses Schildehens ist von der Substanz des albumen völlig gesondert, gar oft zeigt sie sich weifs und mehlig, indem das albumen hornartig ist; so dafs man bei Querschnitten die Grenzen zwischen dem albumen und »itellus deutlich sehen kann. Der Embryo liegt entweder oben frei und unten nur verwachsen auf dem »itellus, oder die- ser umgiebt jenen ganz und gar, entweder nach vorn zu mit einer ziemlich dicken Schichte (Oryza) oder einer dünnen (Zea Mays). Wo der Embryo nach vorn frei ist, steht oft ein Anhängsel, eine kurze, abgestumpfte Mem- bran, welche Richard epiblaste nennt, gleichsam, wie auch Richard schon erinnert hat, ein Ersatz für den von vorn, den Embryo umschliefsenden Theil des »rtellus.

Der »itellus hat zu einer Streitigkeit zwischen den französischen Bota- nikern die Veranlassung gegeben, welcher zum Nutzen der Wissenschaft ge- führt worden ist. Mirbel bestimmte diesen »itellus als den wahren Cotyledon der Gräser. Richard behauptete dagegen in seiner Schrift über die Frucht, er sei das erweiterte Wurzelende. Mirbel vertheidigte seine Meinung, und Richard suchte dagegen die seinige, in einer äufserst genauen und sinn- reichen Abhandlung zu erweisen. Richard hält dagegen die Scheide oder den Überzug des Embryo am oberen Ende für den Cotyledon. Es hat mir

immer geschienen (Grundlehren der Anat. u. Physiol. d. Pflanz. S. 240. E2

36 Lın x

Annal. der Wetterauisch. Gesellsch. 2. Bd. 2. Hft. S.315. (!) Zlem. Philos. Botan.p.350.) als ob die Annahme von Kotyledonen für die sogenannten Monokotyledonen ganz unstatthaft sei. Das Schildchen der Gräser weicht doch dadurch von dem Kotyledon schr ab, dafs es nicht auswächst, sondern sogleich wie das albumen beim Keimen verzehrt wird. Die Scheide oder der Überzug wächst zwar mit dem Embryo beim Keimen aus, aber er ver- welkt nicht, nachdem er zur Ernährung beigetragen hat. Mirbel’s sowohl als Richard’s Meinung scheinen mir nicht zulässig. In den Elem. Philos. Botan. habe ich den »itellus mit den Anhängseln des Blattstiels verglichen, und im Ganzen scheint mir dieses noch richtig. Doch es liegt ein Vergleich viel näher. Der Embryo aller übrigen Monokotyledonen verlängert sich; es bricht dann nach unten an der Seite die gemmula oder plumula hervor und geht nach oben, die radiculae streben nach unten. Wie vergleichen wir nun dieses mit den Gräsern? Sehr leicht. Die gemmila in den Gräsern ist mehr entwickelt, der Theil des Embryo welcher die gemmula einschliefst ist hier geöffnet, zurückgeschlagen und bildet den »itellus. An einigen ist er es nicht ganz, wie vorhin von Oryza und Zea angeführt wurde, und zeigt noch mehr die hier angedeutete Analogie. Nennen wir den obern Theil des Embryo aus dem die gemmida hervorbricht mit Gärtner bacıllus, so ist der wvtellus der Gräser ein geöffneter dacillus. Es ist in der Regel, dafs man an das zunächst liegende zuletzt denkt.

In der Ordnung der Gräser findet sich in einigen, im Ganzen seltenen Fällen, die sonderbare Abweichung, dafs der Embryo die Wurzel nicht aus einem Knötchen, sondern aus mehreren treibt. Semper solitaria occurrit, sagt Gärtner von der radieula, praeterguam in seminibus Secales, T'ritei atque Hordei, quibus solis in vastissimo cognitorum seminum agmine, ternae, qua- ternae aut senae radiculae rite formatae et bene a se invicem discretae ad sin- gulum embryonem concessae sunt. Richard setzt diesen Gattungen noch

(') Ich mufs erinnern, dafs diese Abhandlung durch einige Auslassungen vermuth- lich Schreibfehler hier und da undeutlich ist. Es ist Richard’s Meinung über die Kotyledonen der Gräser, auch Mirbel zugeschrieben, welches einen Widerspruch macht. Es ist die Rede so, als ob gar kein vitellus in den Gräsern vorhanden sei, aber es wird auf den Zustand Rücksicht genommen, wo der Same gekeimt hat und der ganze vitellus

verschwunden ist, um zu zeigen, dafs der vitellus kein vom Embryo wirklich verschiedener Theil sei.

über die natürliche Ordnung der Gräser. 37

Avena und Coix hinzu (Anal. der Frucht. S. 64). Er fand nehmlich an Coix drei, aber vom Wurzelende eingeschlossene Knötchen (Annal. du Museum T.XVI.), und an #Avena sativa bald ein, bald zwei Knötchen. Es ist also sehr merkwürdig, dafs diese Abweichung besonders gebauete Gras- arten betrifft. Coix wird in Ostindien gebauet, und die Samen werden nach Rumpf gegessen. 4vena ist vielleicht nicht lange genug gebauet, um schon beständig jene Abweichung zu zeigen. Zea Mays und Oryza sativa, ebenfalls eultivirte Grasarten, haben nur einen einfachen Wurzelknoten, aber man könnte dieses als einen Beweis ansehen, dafs sie nicht so lange, als die übrigen Getreidearten cultivirt sind. Mirbel meint (Annal. du Museum T. XIH. p. 149), diese Erscheinung könne nicht von der Cultur herrühren, denn in dem frühsten Zustande zeige der Embryo nur ein Knötchen. Aber wenn dem auch so wäre, so würde doch die Anlage, in mehr Knötchen aus- zuwachsen, nur an gebauten Gewächsen die gröfste Aufmerksamkeit verdie- nen, und es bliebe noch immer die Frage, ob man sie nicht der Einwirkung der Cultur zuschreiben, und für eine erbliche Anlage halten müsse. Mirbel fügt hinzu, auch nicht gebauete Gräser hätten an ihrem Embryo mehr Knöt- chen, und er führt 4grostis an. Welche Art er meint ist mir unbekannt. An Agrostis alba finde ich nur ein Knötchen. Wenn ich auch Mirbel’s Angabe nicht ganz läugnen kann, so bleibt doch diese Erscheinung an nicht gebaue- ten Grasarten höchst selten, und ein oder das andere Beispiel nimmt der Merkwürdigkeit jener Erscheinung nichts.

Die Entwickelung des Embryo in den Gräsern hat Treviranus in Breslau an einigen Beispielen genau beschrieben. Ehe der Embryo erscheint besteht das Ei aus zwei Umhüllungen, dem pericarpium und der testa senunis, wovon die erstere immer dünner wird, und endlich als ein zartes Häutchen den Samen überzieht, wie schon oben erwähnt wurde. Dann erscheint in- wendig eine Hölung, welche ein an beiden Enden verschmälerter Körper aus- füllt, das Eiweis (albumen), und zwischen diesem und der Umhüllung die in- nere Membran. Zuerst nimmt die Hölung von unten an, kaum die Hälfte des Samens ein, später erweitert sie sich nach oben und mit ihr das Eiweifs. Nun erscheint am Grunde der Höle, innerhalb eines Fortsatzes, in welchem die innere Samenhaut sich ausdehnt, der Embryo, also aufserhalb des Ei- weifses. So verhält es sich auch mit wenigen Abänderungen bei anderen Grä- sern. Herr Raspail hat auch Beobachtungen über die Entwickelung des

38 Lis x 4

Embryo angestellt (Annal. des sciene. naturell. T.VI.p.224). Er sagt auf funfzehn Seiten noch nicht so viel als Treviranus auf anderthalb.

Aber eine treffliche Bemerkung welche Herr Raspail in dem Verfolg jener Abhandlung (p. 304.) macht, dürfen wir nicht übergehen. Er bemerkte nehmlich, dafs sich die äufsere Hülle des Eies durch Jod blau färbt, nicht aber das Innere desselben, welches zum Eiweifs (perisperme) wird, dafs hier- auf aber das Eiweifs und endlich der Embryo gefärbt wird. Er schliefst dar- aus sehr richtig, dafs zuerst die äufserste Umhüllung nur Stärkmehl zur Er- nährung des Eiweifses enthalte, dafs nachher dieses Stärkmehl enthält, und endlich es dem Embryo übergiebt.

Derselbe Schriftsteller glaubt auch die Entdeckung gemacht zu haben, dafs jedes Korn von Stärkmehl, sowohl der Grasarten als anderer Pflanzen, erstlich aus einer Haut bestehe, welche Wasser und Säuren bei der gewöhn- lichen Temperatur nicht angreifen, und welche vom Jod dauernd gefärbt wird; zweitens, aus einer auflöslichen Substanz, welche beim Verdunsten die Eigenschaft verliert sich mit Jod zu färben, und welche alle Eigen- schaften eines Gummi hat. Er röstete Stärkmehl, brachte Weingeist hinzu, und sah unter dem Mikroskop den Weingeist eine flüssige Substanz auflösen und die Häute liegen. Das ist wohl möglich; es hatte sich ein empyreu- matisches Ol erzeugt und das zog der Weingeist aus. Er brachte Kartoffel- stärke mit Salzsäure zusammen, und jene wurde aufgelöst, aber Verdünnung mit Wasser stellte die Häute wieder her. Davon sehe ich nichts. Salzsäure löst alles Stärkmehl auf und Wasser stellt kein Häutchen her. Hat Herr Raspail sich durch Luftblasen täuschen lassen? Es ist sehr richtig was Parmentier sagt dafs Mays wenig Stärkmehl enthält, denn das Samen- korn besteht gröfstentheils aus einem äufserst feinen Zellgewebe, und die ge- bogenen, zerdrückten Amylumkörner, welche Herr Raspail im Maysmehl sah, waren unstreitig dergleichen Zellen. Die grofse Unregelmäfsigkeit der Stärkmehlkörner, besonders in den Kartoffeln, hätten den Verfasser schon von der Meinung abbringen können, dafs die Stärke ein solches regelmäfsiges Gebilde sei, wie die Zelle selbst. Aber die schätzbare Beobachtung des Herrn Raspail, dafs auch die Antheren durch Jod blau gefärbt werden, ist nicht zu übergehn.

Wir kommen nun zu der Eintheilung der Gattungen, welche wir auf eben die Weise, und nach eben den Grundsätzen hier abhandeln wollen,

über die natürliche Ordnung der Gräser. 39

wie dieses mit den Kryptophyten (Abhandl. d. Akad. d. Wissensch. 1824.) geschehen ist. Nur scheint es mir jetzt, als ob die Zeichen, welche dort ge- braucht wurden, die Übersicht mehr erschweren als erleichtern, und ich werde mich ihrer dieses Mal enthalten.

Warum die Wurzel, der Stamm und die Blätter von der Eintheilung der Gräser auszuschliefsen sind, ist schon oben gesagt worden. Die Wurzel bietet keine bedeutende Verschiedenheiten dar, der Stamm eben so wenig, den Mangel der hervorspringenden Knoten ausgenommen, und dieser trennt nur die Molinia (Enodium), die Blätter können zugleich zusammengeschlagen und eingewickelt sein. Wir gehen also sogleich zum Blütenstande fort. Hier erscheint der Unterschied von Ähre oder Traube und Rispe, ein Unterschied, der seit Scheuchzer schon zur Eintheilung der Gräser gedient hat. Aber diesem Unterschied reihet sich noch ein anderer an, nehmlich, wo Ährchen (nicht einzelne Blüte) von verschiedenem Geschlecht auf besonderen Stielen stehen. Er ist von doppelter Art: Entweder sind Ährchen mit Zwitterblü- ten, und männlichen oder weiblichen neben einander gestellt (Polygamae), oder männliche und weibliche Blüten sind ganz getrennt (Dielinae).

Die Ähre geht in die Rispe über, auf eine doppelte Art. Die Ähre wird zur Traube und dann zur Rispe; ein Unterschied der kaum Grenzen zuläfst. Wir wollen daher die Gräser mit Trauben nicht von denen mit Äh- ren trennen, wenigstens sie in einer Folge gehen lassen. Oder der Übergang geschieht durch Seitenähren. Dafs die Ähre eine Seitenähre ist, zeigt sich durch den Ausschnitt an der Spindel, welcher nicht vorhanden sein würde, wenn die Ähre die Endähre eines Astes wäre; auch sind die einzelnen Ähren fast immer einseitig. Der Fall, dafs die Ähre ästig wird, gehört, wie man leicht einsieht, nicht hieher; die Seitenähre ist nie ästig.

So entstehen folgende Unterordnungen :

I. Spicatae terminantes (monoclinae). I. Spicatae terminales (monoclinae). III. Paniculatae (monoclinae).

IV. Polygamae.

V. Diclinae.

40 Liınx

I. Spicatae terminantes.

Die Bractee aus deren Winkel die Ährchen hervorgekommnn, ist hier zuweilen 4. noch vorhanden. Die Ährchen passen 1) in eine Aushölung der Spindel; der einfachste Fall, und eine Ähre in der eigentlichsten Be- deutung des Wortes, Ophiurinae: Epiphystis, Ophiurus, Psilurus, Orope- tium, Lodicularia, Stenotaphrum, Rotiboella. Sie sind alle einblütig oder halbzweiblütig. Oder 2) das Ährchen pafst nicht in eine Aushölung der Spindel Zoliaceae: Lolium. Sie sind alle vielblütig.

Die Bractee fehlt, 3. Gewöhnlich ist an ihrer Stelle ein Zahn vorhan- den. 1) Die Bälglein (vaivae) fehlen ; Ähre einseitig, Nardinae: Nardus. Die einseitige Spindel, gleichsam als fehle der Hauptstamm, das einblütige Ährchen, der einfache, gar nicht getheilte Griffel, der einzige Fall unter den Gräsern, bezeichnen eine niedrige Entwickelungsstufe. 2) Die Bälglein (valvae) fehlen; Ähre nicht einseitig, Perotideae: Perotis. 3) Die beiden Bälglein stehen neben einander, Jegllopinae: Aegilops. 4) Die beiden Bälg- lein (valvae) stehen seitwärts geschoben, Hordeinae: Asprella Humb. Ely- mus, Hordeum. 5) Die beiden Bälglein stehen mit der inneren Fläche gegen einander über, Triticeae: Secale, Triieum, Agropyrum, Brachypodium, Trachynia (Festuca distachyos), Gaudinia, Brizopyrum (Poa sicula), Cata- podium (Triticum loliaceum), Wangenheimia (Cynosurus Lima), Oreochloa: (Sesieria disticha). Wo die Stellung der Bälglein die gewöhnliche ist, wol- len wir in der Eintheilung weiter gehen. Alle diese Familien sind vielblütig und haben gar keine Ährchenstiele oder kurze und dicke, oder feine Stiele. Also 6) Einblütige Ährchen, die Stiele an die Spindel gewachsen, Zoysinae: Zoysia. 7) Einblütige Ährchen, die Stiele kurz und dünn ; Chamagrostideae: Sturmia. 8) Zweiblütige Ährchen, eine Blüte männlich, eine weiblich; Cha- maeraphis.?

C. Eine besondere Hülle umschliefst die Ahrchen. Diese Hüllen haben oft eine Neigung sich zu verdicken und hart zu werden, um einen falschen Fruchtbehälter zu bilden. Statt dessen verdichten sich auch ein- zelne Bälglein (valvae) oder Spitzen (valvulae). Auf diese Weise haben wir: 1) Eine einblättrige, an der Seite stehende Hülle, Critha Willd. Herb. 2) Eine Hülle, welche die Ährchen ganz umgiebt, Cenchrinae: Cenchrus, Antephora. 3) Das innere Bälglein ist verdichtet, Zappagineae: Lappaga.

über die natürliche Ordnung der Gräser. 41

D. Vier Staubfäden. Die Gattung Tetrarrhena Brown. scheint hie- her zu gehören.

II. Spicatae laterales.

A. Die Ährchen sind in eine Hölung der Spindel ganz oder fast ein- geschlossen. Die Blüten Zwitter und männlich, Trachysiaceae: Trachys. Entspricht I. 4. 1. und schliefst sich dort an. 2) Die Blüten männlich und weiblich: Nerochloa.

B. Die Bälglein sowohl als die Spelzen kielförmig gebogen, und seit- wärts einander umfassend. 1) Einblütige Ährchen, Spartinaceae: Spartina. 2) Einblütige Ährechen; ein Stielcehen deutet eine zweite Blüte an, Cyno- donteae: Cynodon. 3) Zwei und mehrblütige Ährchen, Chlorideae: Echino- laena, Dineba, Tetrapogon, Leptochloa, Chloris, Tleusine, Dactyloctenium, Diplachne s. unten Campulosus, Beckmannia. 4) Ährchen zwei und mehr- blütig; eine Blüte in eine mehrzackige Granne übergegangen, oder die männliche und unfruchtbare Blüte mehr gegrannt, Chondrosiaceae : Chon- drosium, Jtheropogon, Heterostega, Triaena, Pentarrhaphis, Polyodon.

C. Die Bälglein sowohl als die Spelzen flach, am Rande nur umfas- send. 1) Einblütige Ährchen, Paspalaceae: Mierochloa, Reimaria, Paspa- Jus, Helopus. 2) Halbzweiblütige Ährchen, Paniceae: Digitaria, Strepto- stachys, Hymenachne.

D. Die Ährchen sind mit Haaren umgeben. Die Haare stellen eine Hülle vor und sind also von Bedeutung, Eriochloinae: Eriochloa, Axonopus, Dimeria, Xystidium? Diese Familie verbindet sich mit den borstentragen-

den Paniceae.

IN. Paniculatae und zwar Uniflorae.

4. Die Rispe ist noch nicht entwickelt. 1) Die Rispe zusammenge- drängt, die Stiele von Anfang an verdickt, Chaeturinae: Chaeturus. 2) Die

Ahrchenstiele stehen wirtelförmig

g, und haben unter ihrem Ursprunge Bra-

cteen, Coleanthi: Schmidta.

B. Die Rispe ist entwickelt. 1) Die Rispe bildet einen thyrsus. Selten ist ein vollkommner thyrsus vorhanden, das heifst, wo die Spindel auch unten nicht gegliedert, oder mit Knoten versehen ist. Schon in der Abthei-

Phys. Klasse 1825. F

42 Lrnx

lung von Phleum, welche Palissot de Beauvois Chilochloa nennt, sind an der Basis des Straufses zwei bis drei und mehr Knoten. Doch gehen die Knoten an der wahren Rispe bis dicht an die Spitze, hier sind ihrer nur drei oder vier von unten vorhanden, Phleodeae:, Phalarıs, Achnodon, Phleum, Crypsis, Colobachne, Alopecurus, Cornucopiae, Polypogon, Gastridium, Echinopogon. 2) Die Rispe ist ausgebreitet, Agrostideae : Agrostis, Mühlenber- gia, Clomena, Podosemum, Anemagrostis, Calamagrostis, Limnas? Cinna, Sporobolus, Colpodium, Pentapogon? Die Familie reiht sich 1.2.7. an. Da sie schon bedeutend grofs ist, so mag man folgende trennen. 3) Die Glumelle hat einen kurzen, dicken, kegelförmigen Stiel, ist selbst knorplig mit flachen Spelzen, Miliaceae: Milium, Urachne. 4) Die Glumelle hat einen sehr dünn und spitz zulaufenden, kegelförmigen Stiel, Süpaceae: Aristida, Stipa, Streptachne, Lachnagrostis, Pentapogon? Anisopogon? Hätte diese und die vorige Familie drei parapetala, so wäre dieses ein treflliches Kenn- zeichen. Aber ich sehe sie nicht. 5) Die Bälglein fehlen, #sperellinae: Leersia.

C. Die Ährchen sind mit Haaren oder einer Hülle umgeben. 1) Mit Haa- ren, Zaguroideae: Lagurus. 2) Mit einer Hülle, Amphupogon, Diplopogon.

D. Sechs Staubfäden, Oryzınae: Oryza.

IV. Paniculatae subbiflorae.

Zwei oder drei Blüten, einander ungleich, eine oder zwei immer männ- lich oder ganz geschlechtslos. 4. Eine der Blüten ist Zwitterblüte. 1) Die fruchtbare Blüte knorplig, die unfruchtbare männliche oder geschlechtslose dem Kelch ähnlich, Paniceae: Orthopogon, Echinochloa, Panicum, Pen- nisetum, Setaria, Gymnothrix, Penicllaria, Anthenanthia? Neurachne? Schliefst sich an I. €. 2. und wegen der knorpligen Blüte, an IH. 2.3. 2) Die unfruchtbare Blüte dem Kelch unähnlich; männlich, oder geschlechts- los, Trristeginae: Tristegis, Acratherum (gram. nov.) Arthraxon. Eetrosia Br., Triraphis Br. 3) Die unfruchtbare Blüte ist in eine Granne übergegangen ; Deyeuxia, Pleuroplitis? Trin. 4) Eine Zwitterblüte, eine geschlechtslose und eine unvollkommene knorplige: /chnanthus? 5) Eine Zwitterblüte, und zwei geschlechtslose, einspelzige, jener ganz unähnlich, Anthoxantheae:

über die natürliche Ordnung der Gräser. 43

Anthoxanthum. 6) Eine Zwitterblüte, und zwei geschlechtslose, einspel- zige, jener an Structur nur nicht an Form ähnlich, Phalarideae: Phalaris. 7) Eine Zwitterblüte und eine weibliche, Coelachne.

B. Eine männliche und eine weibliche Blüte in einem Kelche: /sachne, Spodiopogon, Zeugites.

C. Sechs Staubfäden, Zhrharunae: Ehrharta.

V. Paniculatae Multiflorae.

A. Ein Thyrsus, Echinariaceae: Echinaria, Trichaeta, Psilathera (Sesleria tenella), Sesleria, Echinolysium, Pappophorum, Streptogyne.

BD. Die Spindel ist ausgeschnitten, mit einem einfachen, höchstens zweifachen Abschnitt. 1) Die G/uma ist kürzer als die untere Blüte, so dafs die Ähre pyramidenförmig erscheint, Festucaceae: Festuca, Fulpia, Sclero- chloa, Arthrostachya, Dactylis, Diplachne, Ceratochloa, Libertia, Calotheca, Aeluropus? Uniola, Diarrhena, Chasmanthium (Uniola gracilis), Uralepsis. 2) Die Gluma ist länger als die unteren Blüten, Nelieaceae: Melica, Schis- mus, Triodia.

C. Die Spindel hat mehrere Ausschnitte, oder vielmehr zarte Reife. 1) Die Ährchen pyramidenförmig wie 3.1, Glycerinae: Koeleria, Bromus, Schoenodorus (Poa violacea), Tridens, Glyceria, Hydrochloa, Poa, Era- grostis, Briza, Molinia. 2) Die Gluma ist gröfser als die untere Blüte, Avenaceae: Avena, Trisetum (Festuca segetum), Campella (Deschampsia), Corynephorus, Pentameris, Arrhenatherum, Holeus, Airochloa, Aıra, Phrag- mites, Gynerium (dieicum), Ampelodesmos, Arundo, Scolochloa, Triplasis? Friachne ?

D. Die Ährchen haben unten Bracteen, oder sind davon unterstützt. Drei Staubfäden, zwei Parapetala ; Cynosurus.

E. Die Ährchen haben unten Bracteen, drei Staubfäden, drei Para- petala, Triglossinae: Ludolfia.

F. Die Ährchen haben unten Bracteen, sechs Staubfäden, Bambu- saceae: Bambusa, Nastus.

G. Vier Staubfäden: Microlaena.

44 L ı x x über die natürliche Ordnung der Gräser.

VI. ‚Polygamae.

Hier wiederholen sich alle obigen Formen des Blütenstandes. Da der Gattungen aber nicht viele sind, so wollen wir sie nur neben einander setzen: Haemarthria, Homoplitis, Ischaemum, Aegopogon, Andropogon, Pollinia, Sorghum, Saccharum, Imperata, Eriochrysis, Lycurus, Elionurus, Diectomis, Manisuris, Apluda, Anthesteria, Hilarıa.

VN. Dicelinae.

Laufen alle Formen, wie die vorigen, durch: T’ripsacum, Lepeocercis, Heteropogon, Pariana, Catospermia (Milium amphispermum Pursh.), Zi- zania, Melinum., Olyra, Pharus, Cox, Zea, Thuarea, Potamophila, Luziola.

Ganz abweichend ist Zygeum dadurch, dafs die Hülle in ein wirk- liches Pericarpium übergeht.

——— BB DR u—

Beschreibung

einer seltenen menschlichen Zwitterbildung nebst vorangeschickten allgemeinen Bemerkungen über Zwitter-Thiere.

Von D, KR. A, BUDOLPHT

nimriniridirrvV

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 20. Oktober 1823. ]

D. Naturforscher sind darin einverstanden, dafs es, im Verhältnifs ge- gen die Pflanzen, unter den Thieren nur wenige wirkliche Zwitter, oder Hermaphroditen, giebt, das heifst Thiere, die mit beiderlei Geschlechts- theilen versehen, sich selbst begatten nnd dadurch fortpflanzen. Allein alle Naturforscher haben bisher noch viel zu viele Thiere für solche Zwitter ge- halten, da es eigentlich nur drei ganz verwandte Gattungen niedrig stehen- der Thiere giebt, deren ganz eigenthümlicher Bau des Körpers einen sol- chen Hermaphroditismus gestattet.

Bei keinem Wirbelthiere findet sich derselbe, und wenn man ihn bei einigen Fischen angenommen hat, so läfst sich das leicht widerlegen.

Cavolini (*) hat in seinem vortrefflichen Werke über die Erzeugung der Fische und Krebse eine Fischart (Perca marina) als hermaphroditisch beschrieben und abgebildet, wo es natürlich auffallen mufste, dafs erstlich zugleich zwei Hoden und zwei Eierstöcke vorhanden sein sollten, und zwei- tens, dafs diefs bei einem Fisch vorkommen sollte, der äufserlich in seinem Bau von den zahlreichen verwandten Arten nichts Abweichendes zeigt.

Wie ich daher im Sommer 1817 zwei Monate in Neapel verlebte, hatte ich nichts Angelegneres, als mir über diesen Punct Licht zu verschaf-

(*) Memoria sulla generazione dei pesci e dei granchi, di Filippo Cavolini, Napoli 1787. 4. p. 97. Fig. 16.-18. In der deutschen Übersetzung, Berlin 1792. 8. S. 84.

46 Renouemı

fen, und ich fand es sehr leicht. Die beiden Geschlechter jenes Fisches haben, wie es schon von mehreren Fischen beobachtet ist, verschiedene Farben, erhielten daher auch verschiedene Namen und wurden für beson- dere Arten gehalten. Das gröfsere Weibchen ist blau, das etwas kleinere Männchen roth; jenes wird für Perca marina, dieses für Perca cabrilla ge- halten; sie haben aber, jene Grundfarben abgerechnet, dieselben schwar- zen Schattirungen und sehen sich sonst durchaus gleich; ich fand auch unter den vielen (über zwanzig) Individuen, die mir von den Fischern in Seewasser lebend auf mein Zimmer gebracht wurden, ein Paar Weibchen von minder blauer Farbe; die Männchen hingegen waren immer roth.

Cavolini hatte nur die Weibchen untersucht; diese haben nur Eier- stöcke, allein ein grofser Theil der letzteren hat an der untern Fläche eine weifsere Farbe und dichtere Consistenz, und das hielt Cavolini für Ho- den. Dieser weifse Theil hängt aber durchaus mit den Eierstöcken zusam- men, und bildet geradezu einen Theil ihrer Wand, wie man sich leicht überzeugen kann, wenn man die Eierstöcke aufschneidet; diese haben auch blos ihre gewöhnlichen Öffnungen , und jener dichtere, weifsere Theil ihrer Wände hat nichts von einem Ausführungsgange (was deferens), noch in sich die sogenannte Milch oder Samenflüssigkeit. Wenn Cavolini die Substanz des Theils damit vergleichen zu können glaubte, so sagt das nicht viel, da der unentwickelte Hoden oft wenig Eigenthümliches zeigt, und andern zellstoffigen Theilen sehr ähnlich sieht.

Ich habe diese Fische nur im Junius und Julius gesehen, und hielt jenen weifseren, dichteren Theil der Eierstöcke für eine unentwickelte Par- thie derselben, da sich bei manchen Fischen die Eierstöcke nicht mit einem Mal ganz entleeren. Eine fortgesetzte Beobachtung, wozu ich unsern trefflichen v. Olfers aufgefordert habe, der sich jetzt in Neapel aufhält, wird bald entscheiden, ob das der Fall ist, oder ob es eine Eigenthüm- lichkeit jener Eierstöcke ist, dafs ein Theil ihrer Wände dicker ist und so bleibt.

Eben so wenig findet sich ein Hermaphroditismus bei der Gattung Petromyzon, wo ihn Everard Home (*) angenommen hatte. Von der Lamprete (Petromyzon marinus) fand ich schon 1817 Präparate im anato-

(*) Aus den Philos. Transact. in seinen Vorlesungen über die vergleichende Anatomie.

über Zwitterbuldung. 27

mischen Kabinet zu Pavia, die den Ungrund jener Meinung beweisen soll- ten, die ich aber nicht Gelegenheit hatte, näher zu untersuchen ; und über das Neunauge (P. Hluviatilis) habe ich selbst eine Reihe von Beobachtungen angestellt, die dasselbe Resultat gaben.

Ich liefs mir nämlich im Jahr 1818 von acht zu acht Tagen frische Neunaugen aus Pommern senden, fand Milcher und Rogner, und in beiden allmählige Entwicklung ihrer Geschlechtstheile, wie sich erwarten liefs. Bojanus hat auch den Ungrund der Home’schen Beobachtung bei dem Neunauge dargethan, und Jeder wird ihn sehr leicht finden. Einen äufser- lichen Unterschied der Geschlechter findet man aber bei diesen so wenig, als bei sehr vielen andern Fischen.

Von dem verwandten Geschlechte Gastrobranchus (Myxine Linn.) ist dasselbe zu erwarten, und vielleicht erhalten wir bald darüber Nach- richt durch Retzius, dem wir schon andere interessante Bemerkungen über diefs seltsame Geschlecht verdanken.

So wenig als bei den Wirbelthieren, ist bei irgend einem Insect im Linneischen Sinn, oder nach der jetzigen Eintheilung, bei den Crusta- ceen, Arachniden und Insecten, ein Hermaphroditismus beobachtet.

Bei den Mollusken ist es sehr verschieden. Die Cephalopoden sind ohne Ausnahme getrennten Geschlechts. Von den Gasteropoden ist ein Theil eben so beschaffen; ein anderer ist androgyn, das heifst, die dahin gehörigen Thiere, wie z. B. die nackten und sehr viele mit einem Gehäuse versehene Schnecken besitzen beide Geschlechtstheile, können sich aber nicht selbst begatten, sondern leisten nach einander oder zugleich, immer aber mit andern Individuen, Dienste des Männchens und Dienste des Weib- chens. Ein dritter Theil der Gasteropoden,, die Pteropoden, die Acepha- len und die Cirropoden werden hermaphroditisch genannt (*), allein sie besitzen erstlich keine Theile, wodurch eine Begattung geschehen könnte, man sieht hier auch nur zweitens irgend einen Theil, selbst zuweilen die Wände der Eiergänge als befruchtend oder männlichen Samen ergiefsend an, ohne diefs jedoch irgend erweisen zu können, so dafs die ganze An- nahme, wenigstens zur Zeit, willkührlich ist.

(*) Der Bau der Geschlechtstheile der Brachiopvden ist noch nicht bekannt, wahrschein- lich aber besitzen sie einen ähnlichen, als die Acephalen.

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Die Gliederwürmer oder Ringwürmer (Annulata) sind wohl sämtlich androgyn; bei den gröfseren und bekannteren ist diefs wenigstens erwiesen.

Unter den Eingeweidewürmern ist die allerzahlreichste Ordnung, nämlich die der Rundwürmer (Nematoidea), ohne Ausnahme getrennten Geschlechts, so dafs eine wirkliche Begattung unter zwei Individuen statt findet, und dasselbe gilt von der kleineren Ordnung der Hakenwürmer (Acanthocephala). Die dritte Ordnung, die der Saugwürmer (Trematoda), ist nach der gewöhnlichen Ansicht hermaphroditisch, jedoch ohne Begat- tung. In der vierten Ordnung, (Cestoidea), scheint ein Theil von dersel- ben Beschaffenheit; ein Paar Gattungen jedoch sind rein hermaphroditisch ; wovon gleich mehr. Die fünfte Ordnung der Blasenwürmer erscheint ohne Theile, denen man eine Geschlechtsverrichtung zuschreiben könnte.

Die Strahlthiere (Radiata) sind zum Theil in eben dem Falle, gro- fsentheils gehören sie jedoch zu den Thieren, welche sich zwar nicht be- gatten, allein in eigenen Organen die Keime bereiten, wie die obengenann- ten Saugwürmer.

Die eigentlichen Zoophyten oder die polypen-artigen Thiere pflanzen sich nur durch Theilungen oder Sprossen fort. Die eigentlichen Infusions- thiere scheinen wenigstens zum Theil in eben dem Fall; die andern mögen sich nie fortpflanzen, sondern immer neu gebildet werden. Es versteht sich aber, dafs man sich diese Ordnung von den vielen jetzt darunter ge- rechneten, zum Theil sehr zusammengesetzten Thieren, getrennt denken mufs, deren manche den Crustaceen, andere aber vielleicht einer eigenen an die Rundwürmer gränzenden Ordnung anheimfallen.

Für streng hermaphroditisch kann ich nur einige Gattungen der Cestoiden unter den Eingeweidewürmern halten, nämlich 7zenta, Bothrio- cephalus und ZLigula, wovon die beiden ersten an Arten sehr zahlreich sind. Bei den ersten beiden Gattungen ist der lang gestreckte, oft mehrere, ja zu- weilen sehr viele Fufs lange Körper in einzelne deutliche Glieder getheilt, so dafs Vallisnieri, Linne und manche andere Naturforscher sich ehmals verführen liefsen, jedes Glied für ein eigenes Thier und das Ganze für eine Reihe an einande: geketteter Thiere zu halten. Bei Zigula ist die Theilung minder deutlich, allein die Reihe der aufeinander folgenden männlichen und weiblichen Geschlechtstheile ist von der gewöhnlichen Art der Anord-

mung bei jenen nicht verschieden.

über Zwitterbildung. 49

Ich habe nämlich eine eigenthümliche Bildung bei Taenia scolecina (aus dem Cormoran) entdeckt: statt dafs sonst jedes Glied den männlichen und weiblichen Theil zugleich enthält, ist bei ihr die vordere Strecke der Glieder blos männlich, die hintere blos weiblich.

Bei allen diesen Thieren ist natürlich die Selbstbegattung der Glieder unter sich sehr leicht, so dafs auch schon Carlisle diese Ansicht fafste, und ihm alle darin beistimmten; doch ist es nicht nöthig, dafs die Thiere dazu Knoten schlagen, sondern indem sich die Glieder aneinander legen, können sich ganze Reihen derselben begatten. So habe ich auch selbst ge- sehen, was ein hiesiger junger vielversprechender Naturforscher, Ferdinand Schultz (*), entdeckt hatte. Er brachte mir nämlich Bandwürmer, wo Glie- der desselben Wurms, aber auch die von ein paar Individuen untereinander in der Begattung waren.

Vergleicht man hiermit den Bau der Acephalen, und anderer für her- maphroditisch gehaltenen Thiere, so sieht man bald den grofsen Unter- schied, und wo bei einfachem Körper keine wechselweise Begattung oder ein Androgynismus statt findet, darf man nicht deswegen auf Hermaphrodi- tismus schliefsen. Die Eier mögen in verschiedenen Theilen entstehen, und sich ausbilden, namentlich auch die Überzüge erhalten; nichts berechtigt uns aber einen derselben als männlich und befruchtend anzusehen.

Wenn aber dem Obigen gemäfs ein wahrer, nicht zu bezweifelnder, Hermaphroditismus, im Thierreich höchst selten erscheint, so ist es dagegen unter den Thieren, die im normalen Zustande ganz getrennten Geschlechts sind, nicht selten, dafs monströs in einem Individuum einzelne Theile männ- lich, andere weiblich sind, und zwar auf eine doppelte Weise, nämlich dafs entweder die äufsern und innern Theile darin unter sich abweichen, oder dafs die Organe der einen Seite männlich, die der andern weiblich sind, und mit diesen werde ich mich nur gegenwärtig beschäftigen.

In der ganzen Klasse der Würmer ist bis jetzt kein seitlicher Herma- phroditismus beobachtet, und man sollte vermuthen, dafs er auch nie vor- kommen werde, weil nicht die Geschlechtstheile nach beiden Seiten sym- metrisch vertheilt sind, so dafs die eine Hälfte männlich, die andere weib- lich werden kann.

(%) Leider ist derselbe im Sommer 1826 an einer Brustkrankheit verstorben.

Phys. Klasse 1825. G

50 Rvwpo u?

Unter den Insecten im strengeren Sinn kommt diese Abweichung hin- gegen sehr häufig vor, und zwar fast allein bei den Schmetterlingen. Zwar sagt Germar (in seinem Magazin 1.B. 1.St. S. 134.) wo er von dem seit- lichen Hermaphroditismus spricht: ‚‚,Auch von der Käfergattung Melolontha hat man einzelne Beispiele;”’ allein in Meckel’s Archiv 5. Bd. S. 366. sagt er blos, dafs er sich erinnere, einmal irgendwo eine Melolontha solstitialis gesehen zu haben, die einen männlichen und einen weiblichen Fühler hatte. Das ist also ein einziger, wenig ausgezeichneter Fall (*).

Die erste Beobachtung eines Zwitterschmetterlings theilte Jac. Chr. Schäffer mit (Der wunderbare und vielleicht in der Natur noch nie er- schienene Eulenzwitter. Regensb. 1761. 4.). Sie betraf den in seinen beiden Geschlechtern so sehr verschiedenen und daher benannten Bomby.x dispar. Die rechte Seite (Fühlhorn, Körper, Flügel) war männlich, die linke weib- lich. Der bekannte holländische Entomolog Voet hatte sie 1756 aus der Raupe gezogen.

J. Ant. Scopoli (I/ntroductio ad historiam naturalem. Prag 1777. 8. p- 416.) beschrieb den zweiten, ihm von Piller mitgetheilten Fall. Zwei Raupen des Dombyx Pini sollten sich nämlich in einen Cocon eingesponnen und in eine Puppe verwandelt haben, aus der ein Zwitter hervorkam, des- sen eine Seite männliches Fühlhorn und männliche Flügel zeigte, während die andere weiblich war: welche, ist nicht gesagt, auch sind die gröfseren Flügel fälschlich die männlichen genannt. Die männliche Seite soll das Zeu- gungsglied ausgestreckt und die Eier der weiblichen Seite befruchtet haben, aus denen vollkommne Raupen hervorkamen. Hier ist viel Falsches und Unwahrscheinliches, wovon in der Folge.

Nachher gab Esper (Beobachtungen an einer neuentdeckten Zwitter- Phaläne des Bombyx Crataegi. Erlangen 1778. 4.) die Beschreibung eines aus der Raupe gezogenen Spinners (B. Cr.) wo die rechte Seite (Fühlhorn, Körper, Flügel) männlich, die linke weiblich war.

(*) Ein desto merkwürdigerer ist dagegen von einem hoffnungsvollen jungen Studirenden, Eduard Wiebel aus Wertheim, der leider hier am 5. Novbr. 1827 am Typhus gestor- ben ist, beobachtet. Er fand nämlich im Jahr 1826 einen todten Hirschkäfer, dessen eine Seite mit dem Geweih versehen und durchaus männlich ist, während die andere sich ganz weiblich zeigt. Das Exemplar ist auf unserm zoologischen Museum, und Klug wird es be- schreiben und eine Abbildung davon mittheilen.

über Zwitterbildung. 51

Bei einem Zwitter der Bombyx Quereus, welchen Hettlinger (Rozier Observ. de Physique T. 26. p. 270.) beschrieb, war die rechte Seite (Flügel und Fühlhorn) weiblich, die linke männlich; von einer Verschie- denheit der Körperhälften sagt er nichts; das Thier legte auch gleich Eier, so wie es aus der Puppe geschlüpft war; vielleicht war also der Körper ganz weiblich, wie bei dem folgenden.

Capieux (Naturforscher 12.St. S.72. Taf.2. Fig. 6.) beschreibt näm- lich einen Zwitter des kleinen Pfauenauges (Bomby.x Pavonia minor oder Carpini) an dem die Flügel und das Fühlhorn an der linken Seite männ- lich, an der rechten weiblich waren, der Körper sich hingegen blos weib- lich zeigte.

Ernst (Papülons d’Europe T.II. Paris. 1782. 4. p.123. Taf. 122. n. 114.) bildet einen Zwitter des Sphinx Convolvuli ab, dessen Fühler und Flügel rechts männlich, links weiblich sind; an dem Körper kann ich keine Theilung bemerken ; das rechte Auge scheint mir aber etwas gröfser.

Frz.v.P.Schrank (Fauna Boica. I. 1. Ingolst. 1801. 8. S. 192.) führt einen Papilio 4talanta an, den er selbst aus der Raupe gezogen, der zwar an Farbe und Zeichnung nicht von den übrigen Individuen abwich, aber, ohne verschrumpft zu sein, alle Theile der rechten Seite kleiner hatte. Doch scheint dies nur von den Fühlern und Flügeln zu gelten, da er deren Maafse angiebt, allein gar nicht vom Unterleibe spricht.

Ferd. Ochsenheimer (Die Schmetterlinge von Europa. 4. Bd. Lpz. 1816. 8. 3.186. u.fg.) hat mehrere Zwitter beschrieben, die ich grofsen- theils vor acht Jahren bei ihm in Wien gesehen habe. Er theilt sie in voll- ständige und unvollständige: jene wo Fühlhörner und Flügel beider Ge- schlechter deutlich wahrnehmbar sind ; diese, wo das eine oder andere Ge- schlecht vorherrscht.

Als vollkommene Zwitter führt er folgende auf:

1. Papilio (Argynnis) Paphia. Rechts männlich, links weiblich ; die Fühler gleich, die Unterseite mit beiden Geschlechtern übereinstimmend, der Hinterleib rechts mit einem Afterbüschel.

2. Papilio (Lycaena) Alexis. Die Fühler gleich, die rechte Seite weib- lich, mit einem schwachen Anfluge von Blau am Innenrande des Hinterflü- gels; die linke männlich. Die Unterseite wie bei den verschiedenen Ge- schlechtern, der Hinterleib weiblich, oben hellblau gefärbt.

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3. Bombyx (Saturnia) Pyri. Rechts männlich, links weiblich. Der Hinterleib ist etwas geschmeidiger (soll wohl schlanker heifsen) als bei dem Weibe; am Ende desselben zeigen sich beide Geburtsglieder in ihrem vollkommnen Zustande sehr deutlich nebeneinander.

4. Bombyx (Saturnia) Carpini, von vorzüglicher Gröfse. Die linke Seite ist männlich, die rechte weiblich; der Hinterleib weiblich, nur mit dem deutlichen weiblichen Zeugungsgliede.

5. Bombyx (Endromis) versicolor. Rechts männlich, links weiblich; der Hinterleib weiblich, aber auf der rechten Seite wie bei dem Mann ge- färbt. Die Geburtstheile sind wegen des stark behaarten Afters nicht zu sehen.

6. Bombyx (Harpyia) Vinula. Die rechte Seite ist männlich, die linke und der Hinterleib weiblich. Das männliche Geburtsglied ist zurückgezo- gen, das weibliche sichtbar; an ihm hängen fünf braune Eier, die nicht, wie gewöhnlich bei unbefruchteten der Fall ist, eingefallen sondern erha- ben sind.

7. Bombyx (Liparis) dispar. Links männlich, rechts weiblich, der Hinterleib breit und lang, doch nicht so dick, wie ihn das Weib gewöhnlich hat. Der starke Wollenafter bedeckt die Zeugungsglieder.

Als unvollkommene Zwitter beschreibt Ochsenheimer:

1. Zwei Exemplare von Papilio (Pontia) Cardamines (S.155.). Eins, ein Männchen, das auf dem rechten Vorderflügel wie das Weib gezeichnet ist; und das zweite, ein Weibchen, das einige Farben des Männchens zeigt.

2. Bombyx (Saturnia) Carpini. Ein Weibchen mit zwei männlichen Fühlern und dem weiblichen Geburtsgliede an der gewöhnlichen Stelle. Die Vorderflügel haben die Gestalt des Männchens, allein die Farbe des Weibes, nur ist die Wurzel des linken und der erste Queerstrich rothbraun gefärbt und auf der Unterseite ist der Vorderrand rothgelb. Die Hinterflügel sind weiblich: auf dem linken steht in der Mitte und auf dem rechten am Aufsen- rande ein rothgelber Fleck. Die rechte Seite des Rückens ist rothbraun.

3. Bombyx (Liparis) dispar. A. ein Männchen, mit männlichen Füh- lern und mehr weiblichem Hinterleibe, die Flügel in einem sehr gemischten Zustande. Ochsenheimer fing das Thier selbst, welches wenig Lebhaf- tigkeit zeigte. B. ein Exemplar, dessen rechtes Fühlhorn männlich, dessen linkes weiblich ist; der Hinterleib ist schmal, jedoch mehr weiblich, gelb-

über Zwitterbildung. 53

grau, mit einem schwarzen Afterbüschel. Die Vorderflügel sind mehr oder weniger weils, aber auf beiden Seiten ungleich braun gemischt. Der rechte Hinterflügel ist mehr männlich, nur mit einzelnen, weilsen Streifen; der linke weils, mit einem braunen Streif am Innenrande und einem gleichfar- bigen bindenartigen Fleck am Aufsenrande.

4. Bombyx (Gastropacha) Quereus. Zwei Exemplare. 4. Körper und Fühler weiblich, die rechten Flügel männlich, die linken weiblich. B. Der Körper und die rechte Seite weiblich, die linke männlich; der linke Fühler ist kaum etwas stärker als der rechte, aber beide sind kastanienbraun und gekämmt.

Germar (in Meckel’s Archiv für die Physiologie B.5. 1819. S. 365- 368.) beschreibt aus seiner Sammlung folgende Zwitter:

1. Papilio (Vanessa) dtalanta. Die linke Seite männlich, die rechte weiblich; das linke Flügelpaar ist beträchtlich kleiner, stärker gezackt und tiefer geschweift, die Färbung aber nicht verschieden. Der linke Fühler um eine Kolbenlänge kürzer, als der rechte. In den Tastern und Beinen kein symmetrischer Unterschied. Der Hinterleib ist wie bei den weiblichen Individuen gebaut, aber auf der männlichen Seite beim getrockneten Exem- plare weit stärker zusammengeschrumpft als auf der weiblichen. Ward bei Dresden im Freien gefangen.

2. Papilio (Vanessa) Antiopa, bei Halle gezogen. Die rechte Seite männlich, die linke weiblich. Die Unterschiede, wie bei dem vorigen, der rechte Fühler aber auffallend kürzer.

3. Papilio (Melitaea) Phoebe, von Germar selbst auf der Insel Lesian in Dalmatien gefangen. Der linke Fühler etwas kürzer als der rechte und das linke Flügelpaar kleiner, übrigens Zeichnung und Umrifs mit dem rech- ten Flügelpaare gleich. Der Hinterleib wie bei männlichen Insecten.

4. Sphine Euphorbiae, ın Halle gezogen, und von Germar in Ahrens Fauna Insectorum Europae Fasc. 1. Tab. 20. beschrieben und abgebildet. Links männlich und mit etwas kleineren Flügeln. Der ganze Körper erscheint auf der Mittellinie der Länge nach getheilt; was auf der männlichen Seite liegt, ist durchaus mit einem grünen Staub bedeckt; die weibliche Hälfte aber hat einen weifsen Taster, weifse Schienen, rosen- rothe Brust und Hinterleib mit grell weils gefranzten Einschnitten. Der Hinterleib ist weiblich.

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5. Sphinx Galü, bei Leipzig gezogen. Die linke Seite männlich, der rechte Fühler und das rechte Flügelpaar auffallend länger als die männlichen, übrigens aber findet sich nicht die geringste Abweichung in Farbe und Zeich- nung. Der Hinterleib ist weiblich.

Aus dem Tagebuche der Linneischen Gesellschaft in London (Trans- actions of Ihe Linn. Soc. T'.xıv. p.584.) vom 15. Junius 1824. wird erzählt, dafs der Secretaire der Gesellschaft einen aus Rio de Janeiro von Dixon an Mac-Leay gesandten Zwitter-Schmetterling vorgelegt habe, der links Papilio Laodocus Fabr., rechts Papilio Polycaon Fabr. sei, so dafs man dadurch diese sonst für verschieden gehaltenen Schmetterlinge als Männchen und Weibchen einer Art kennen lerne... P. Polycaon sey der Mann.

Dafs jene Schmetterlinge zu einer Art gehören, war schon früher be- kannt, wie mir unser treflliche Entomolog Klug gesagt hat; dieser hat auch einen ähnlichen angeblichen Zwitter aus Rio de Janeiro erhalten; wie er ihn aber aufweichte, fand er, dafs er künstlich zusammengesetzt war.

Bei manchen der angegebenen Fälle könnte der Zweifel entstehen, ob hier von wirklichen Zwittern die Rede sei: denn so gut bei Menschen eine angeborne Ungleichheit ın der Gröfse der Extremitäten, der Augen u. s. w. bei entschiedenem Geschlecht statt finden kann, so mag es auch wol bei den niedern Geschöpfen sein, und der z. B. von Schrank er- wähnte Fall von Papilio Atalanta könnte ganz zweifelhaft scheinen.

Man war ehmals von dem Sammeln so eingenommen, dafs man dar- über nicht selten den Geist desselben verkannte, und ich hatte oft beseufzt, dafs die Entomologen nie einen solchen Zwitter anatomirt hatten.

Endlich erhielt unser Klug im Sommer 1824 einen auf den Müggel- bergen von dem fleifsigen Studiosus Häberlin gefundenen Zwitter des Papilio (Melitaea) didymus ganz frisch und unterwarf ihn der näheren Unter- suchung. Rechts war das Auge gröfser und hervorstehender, die Frefsspitze unverkennbar länger, der Fühler um eine Viertellinie länger (auch weder weils geringelt, noch an der Spitze rothgelb, wie der linke), die Flügel männlich; der Hinterleib von ziemlicher Dicke, auf beiden Seiten gleich gefleckt; auf der rechten Seite die männliche Schaamzange vollständig und ausgebildet, auf der linken auffallend kürzer und weit weniger entwickelt. Bei der Zergliedrung fand Klug links den Eierstock mit hellgrünlichen

o Eiern angefüllt, ohne jedoch eine deutliche Gebährmutter, noch die Ver-

über Zwitterbildung. 55

bindung des Eierstocks mit einem andern Theil deutlich wahrnehmen zu können, sondern der Eierstock lösete sich hinten ab: der Körper war von unten aufgeschnitten, und dabei wahrscheinlich der Eierstock getrennt. Rechts hingegen waren die männlichen Geschlechtsiheile vollständig und mit dem äufsern Gliede im Zusammenhang. Diese aus dem Körper gelöseten Theile sind durch meines Freundes Güte jetzt auf dem anatomischen, der Schmetterling selbst ist auf dem zoologischen Museum. Im zehnten Bande der Froriepschen Notizen S. 183. ist eine kurze Nachricht davon gegeben, allein der Schmetterling aus Versehen ?. Cinxia genannt worden.

In diesem Jahre hat ein anderer, sehr hoffnungsvoller Studirender unserer Universität, Ferd. Schultz, dessen ich schon oben erwähnte, einen Zwitter des Bombyx (Gastropacha) Quercifolia welchen der Professor August hieselbst aus der Raupe gezogen und ihm zur Zergliederung ge- schenkt, sorgfältig untersucht, und den Körper, rechts mit weiblichen und links mit männlichen Geschlechtstheilen versehen, ebenfalls dem anatomi- schen Museum geschenkt.

Die Flügel der männlichen Seite kleiner; die Fühler gleich grofs, doch der männliche etwas dicker. Die beiden Hälften des Körpers von der Spitze des Kopfs an bis zum After auf beiden Seiten verschieden und die Verschiedenheit durch eine gerade Linie scharf begrenzt. Der Kopf war auffallend schief, auf der männlichen Seite gewölbter, das Auge hervor- stehender und gröfser als auf der weiblichen. Der Hinterleib auf der weib- lichen Seite ausgedehnter und dünner behaart, und die Segmente sichtbarer als auf der männlichen, wo er schmächtiger, etwas eingebogener und stärker behaart war, so wie die Haare am After dieser Seite länger waren, und die auf der weiblichen um eine Linie überragten. In der Mitte der Rückenseite zeigte sich eine sehr stark ausgedrückte Haarnaht, welche von aufwärts ste- henden Haaren und Haarbüscheln gebildet ward, so dafs es fast das Ansehn hatte, als seien beide Hälften an einander gesetzt. Am After waren einige Spitzen der Ruthe sichtbar, und auf jeder Seite neben derselben eine kleine rundliche braune Hornplatte, wie sich immer bei dem männlichen 2. querei- Jolia befindet; übrigens war das Hinterende breit abgestutzt, wie bei dem Männchen, nicht verlängert und verschmälert, wie es bei dem Weibchen ist.

Bei der Zergliederung fand Schultz nur einen und zwar einen ein- fachen Eierschlauch, welcher vom Fettkörper bedeckt, gröfstentheils auf

56 Röw'noiu PP ni

der weiblichen Seite lag, sich jedoch an dem vordern Ende des Unterleibs völlig auf die männliche Hälfte, von da nach einer einfachen Krümmung wieder auf die weibliche Seite hinüber zog. In demselben befanden sich achtzehn grüne, weifsgeringelte Eier von der normalen Gröfse und Gestalt; hinter denselben lagen ohngefähr halb so viele kleine unentwickelte Eier, und die Spitze des Eierschlauchs war leer. Der mit Eiern gefüllte Theil ging in eine Erweiterung, und diese in einen dünnen Kanal über, welcher in eine Erweiterung des Samengefäfses einmündete. Diese Verbindung des Eier- schlauchs mit dem Samengefäfse war ohngefähr zwei Zoll von dem Ausgange des letztern entfernt. Ferner lag auf der weiblichen Seite in der Nähe des Afters neben dem Darmkanal eine runde Blase, welche ohngefähr zwei Linien im Durchmesser hielt, und mit einer durchsichtigen grünen Flüssigkeit ange- füllt war. Von ihrem obern Ende ging ein weifslicher Gang aus, welcher geschlängelt einige Linien in die Höhe stieg, dann sich an das untere Ende der Blase legte, durch einen dünnen kurzen Gang an dieser Stelle wieder mit ihr in Verbindung stand, sich hinter den Mastdarm durchzog und in die Ausführungserweiterung des Samengefäfses endigte. Ohne Zweifel ist er das Organ durch welches die Eier einen Überzug benommen.

Auf der männlichen Seite fanden sich an dem vordern Ende des Hin- terleibs zwei Hoden hinter einander und durch einen Gang verbunden. Der zweite Hode hing an einem dünneren Gefäfse, welches dann dicker ward, darauf in einen vielfach gewundenen weifsen Schlauch einmündete, welcher auf der männlichen Seite, zum Theil aber auch in der Mitte des Hinterleibs lag. An dieser Stelle trat ein langer, dünner, weifser, unpaarer Schlauch in ihn ein. Auf diese Vereinigungstelle folgte ein kurzer Samengang, welcher in eine rundliche, faltige, etwas harte Erweiterung überging, in welche sich der oben erwähnte Kanal der grünen Blase einsenkte. Diese Erweiterung stand mit einem kurzen Schlauche in Verbindung, der Scheide für die voll- kommen ausgebildete Ruthe. Von dem untern Ende dieser Scheide stieg ein zwei Linien langer Muskel derselben in die Höhe und setzte sich an die Bauchseite des Hinterleibs fest.

Überdies besitzt das zoologische Museum noch folgende Zwitter von Schmetterlingen, die mir Klug nicht blos gezeigt, sondern wovon er mir die Beschreibung gütigst mitgetheilt hat.

über Zwitterbildung. 57

1. Papilio (Pontia) Daplidice. Der rechte Vorderflügel ist männlich, der Hinterflügel hingegen nähert sich dem weiblichen mehr; die linke Seite ist aber entschieden weiblich. Zwischen den Fühlern und Frefsspitzen bei- der Seiten ist kein merklicher Unterschied. Der Hinterleib ist jedoch dün- ner, als er bei dem Weibchen zu sein pflegt, und die äufsern Geschlechts- theile sind den männlichen ähnlich.

2. Bombyx (Saturnia) Carpini, aus der Hellwig-Hoffmannsegg- schen Sammlung, schön erhalten, und wie es scheint aus der Puppe gezogen; gegen Ochsenheimer’s Beobachtung, dafs solche Zwitter gröfser zu sein pflegen, kleiner wie gewöhnlich, so dafs selbst die weiblichen Flügel kaum die Gröfse erreichen, welche die männlichen bei andern Exemplaren des Königlichen Museums zeigen. Rechts sind Fühler und Flügel weiblich, links männlich. Der Hinterleib ist schmächtig, wie bei dem Männchen, allein gefärbt wie bei dem Weibchen; eine deutliche Trennung ist nicht daran wahrzunehmen.

3. Bombyx (Liparis) dispar, aus der ehmaligen Bergschen Samm- lung. Fühlhorn und Flügel der rechten Seite männlich; die der linken weiblich. Auch auf dem Rücken bemerkt man die Trennung der männ- lichen und weiblichen Seite. Der Hinterleib ist nach seinem Wollenafter weiblich, jedoch nur wenig dicker, als ein männlicher Körper zu sein pflegt. Eine Scheidungslinie ist nicht bemerklich, und an der Spitze sind männliche Geschlechtstheile ungewöhnlich stark und deutlich hervorgetreten.

4. Ein wahrscheinlich aus der Raupe gezogener, ziemlich klein ge- bliebener Zwitter des Bombyx (Gastropacha) Medicaginis, ebenfalls aus der g. Die rechte Seite ist männlich, die linke weib- lich; der Hinterleib dem des Weibes ähnlich, doch schmächtiger, und verräth nur eine geringe Spur einer den Geschlechtstheilen entsprechenden

Theilung.

5. Der merkwürdigste Zwitter stammt aus der von der Wittwe des ver-

Bergschen Sammlun

storbenen Kriegsraths Kirstein an das Museum geschenkten Sammlung; es

ist Bombyx (Gastropacha) castrensis. Keine Seite ist ganz männlich oder

weiblich, doch herrscht das männliche Geschlecht unverkennbar vor. Der

Kopf ist blafsgelb, trägt rechts ein weibliches, links ein männliches Fühl-

horn. Der Haarkragen ist gelb behaart, nach der rechten Seite mit unter-

mischtem Braun; in die gelbe Behaarung des Rückenschildes mischt sich Phys. Klasse 1825. H

58 RıuimolL ®$ a1

linkerseits und in geringer Ausdehnung auch in der Mitte die bräunliche Be- haarung des Weibchens. Der Hinterleib ist nach Gestalt und Färbung durchaus männlich. Auf der rechten Seite, wo das weibliche Fühlhorn ist, sind die Flügel ganz wie bei einem Männchen gezeichnet, nur dafs sie fast unmerklich gröfser sind, und dafs die obern an der Wurzel und am Vorder- rande eine solche bräunliche Färbung haben, die mit der braunen Farbe des weiblichen Körpers Ähnlichkeit hat. Auf der linken Seite, wo das männliche Fühlhorn ist, sind deutlich weibliche Flügel. Die braune Binde der Vor- derflügel ist hier von einer schwachgelblichen Schattirung unterbrochen.

Bemerkt zu werden verdient, dafs Klug die sämtlichen Zwitter des Königl. Museums aufgeweicht und von Neuem ausgespannt hat, so dafs über ihre Ächtheit kein Zweifel statt finden kann.

Bei den Crustaceen, wo der Unterschied der Geschlechter so grofs ist, dafs er jedem Layen bekannt ist, ward bisher nur ein Fall eines Herma- phroditismus lateralis beschrieben, der aber auch keinen Zweifel erlaubt.

Nicholls (Philos. Transact. N. 413. S. 290-294.) giebt nämlich die Beschreibung eines Hummers (Cancer Gammarus), der rechts weiblich, links männlich ist, so dafs jene mit einem Hoden versehene Seite auch die Öffnung seines Ausführungsgangs am letzten Fufse, kleinere Blättchen am Schwanze und diesen schmaler zeigt, während an der linken breiteren Seite der Eierstock die Öffnung seines Ausführungsgangs am vorletzten Fufse hat.

Von Fischen mit seitlichem Zwitterzustande sind Beispiele genug, obgleich kein einziges ganz genau beschrieben ist. Zuweilen war es die Köchin, die den Fall bemerkte, und häufig fand man ihn erst bei den ge- kochten Fischen. Da es aber gewöhnlich Layen waren, die auf der einen Seite einen Hoden (die Milch), auf der andern einen (Rogen) Eierstock beobachtet haben wollten, so mag auch mancher Fall gar nicht hieher gehö- ren. Mir sind zweimal solche angebliche Zwitter -Geschlechtstheile gebracht worden; das einemal von einer Karausche (Cyprinus Carasstus), wo der Eierstock von Eiern strotzte, der angebliche Hoden mir aber ein entleerter

Eierstock zu sein schien; das andere Mal von einem Karpfen (C. Carpio),

über Zwilterbildung. 59

wo der Eierstock wie gewöhnlich beschaffen war, der angebliche Hoden mir aber eine blofse Fettgeschwulst schien. Da die Theile gekocht und aus dem Zusammenhange gerissen waren, konnte ich nichts Bestimmteres darüber sagen. Es ist indessen auch möglich, dafs das, was ich für eine Fettge- schwulst hielt, eine ausgeartete Leber war, wie Du Hamel (Traite general des pesches et histoire des poissons P.2. p. 130.) vom Weilsling (Gadus Mer- langus) anführt, dafs der angebliche Hoden bei Zwitter- Weifslingen nach mehreren Naturforschern vermuthlich ein Theil der Leber war, weil man daraus Öl ausdrücken konnte, da die Milch hingegen keine fette Substanz enthält. Auf eine ähnliche Art urtheilt Horkel (in Frid. Jacoby Diss. de mammalıbus hermaphroditis alterno latere in sexum contrarium vergenuibus. Berol. 1818. 8. S. 15.) über einen Fall, dessen Bloch erwähnt, wo angeb- lich bei einem Karpfen ein Eierstock und ein Hoden gefunden sein sollten.

Pallas (Reise durch verschiedene Provinzen des Russ. Reichs. 2. Th. S.341.), wo er Sokolof’s Bemerkungen über die Caspischen Fischereien mittheilt, spricht auch von den Zwittern auf eine Weise, die Zweifel erregen mufs. ‚„‚Im Frühling findet man in wenig Belugen Rogen, sondern die meisten sind Milcher. Die Fischer betheuern aber durchgängig, dafs zuweilen sowohl unter den Belugen, als andern Störarten, solche gefunden werden, welche an einer Seite Milch, an der andern Rogen haben, und also wahre Herma- phroditen sind, welches in Holland schon verschiedene Male bei dem Ka- beljau ist angemerkt worden”. Dafs im Frühling mehr Milcher gefunden werden sollen, scheint blos darauf hinzudeuten, dafs man die leeren Eier- stöcke für Hoden hält, und ist dies richtig, wie es fast nicht anders sein kann, dann sagt auch die zweite Beobachtung nichts.

Bei Ascaninus (/cones rerum naturalium Fase. 3. Kopenh. 1775. fol. n.27.) findet sich die Bemerkung, dafs von dem Kabeljau auch Zwitter vorkämen, dafs sie aber sehr selten und weniger gut wären. Also eine blofse Behauptung.

Joh. Baster (Opuscula subseciva T.1. p.138. Tab. 16.) bildet die angeblichen doppelten Geschlechtstheile eines Gadus ab, allein so deutlich die Eierstöcke sind, so wenig kann ich das für Hoden halten, was er dafür angiebt.

Auch die Abbildung der Geschlechtstheile eines Zwitters des Gadus Lota, von Jos. G. Pipping (Vetensk. Acad. Nya Handl. T.21. for 1500.

H2

60 RıwiDvo'nvp.HI

p: 33-35. Tab. 1. Fig. 1.) läfst mich sehr zweifelhaft. Der angebliche Hoden war weifsgelb und ist so grofs abgebildet, dafs ich ihn für die Leber halten möchte; der kleine Eierstock dagegen ist natürlich beschaffen.

J.Hnr. Stark (Eph. Nat. Cur. Dec. Il. Ann.T et S. obs. 109. p. 190.) spricht von einem Piscis melanurus (womit wohl nur der Gründling, Cypri- nus Gobio gemeint sein kann) der gekocht auf einer Seite die Milch, auf der andern Seite den Rogen zeigte, näher ist aber nichts angegeben.

In den Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Paris (Histoire de l’ Academie, annee 1737. p.51.n. IX.) ist ein Fall sehr bestimmt angegeben, doch leider auch nicht beschrieben. Morand zeigte nänfich einen grofsen Karpfen vor, wo man auf einer Seite deutlich die Eier, und auf der andern die Milch sah. Bei dieser Gelegenheit sagte Reaumur, dafs er mehrere Male dieselbe Sache bei dem Hecht, und Marchant bei dem Weifsfisch (Merlan) gesehen habe.

Die Abbildung der Milch und des Rogens aus einem gekochten Kar- pfen, welche Brückmann (Commere. Litt. Nor. 1734. p. 305. Tab. IX. Fig. 1-6.) mittheilt, kann auch Niemand befriedigen, da aus dem Zusam- menhang gerissene Theile dargestellt sind. Eher können sie Zweifel erre- gen, und so viel von Zwittern der Fische geredet ist, so haben wir doch noch keinen nur leidlich beschriebenen Fall davon vor uns.

Von Amphibien haben bisher die Naturforscher keine ähnliche Fälle erzählt, doch steht bei dem Doppeltsein ihrer innern, ja selbst zum Theil ihrer äufsern Geschlechtstheile gar nichts einem solchen Hermaphroditismus lateralis im Wege.

Bei den Vögeln sind die weiblichen Geschlechtstheile einfach, wenn wir nicht die wenigen Ausnahmen eines doppelten Eierstocks bei einigen Fal- ken zu hoch anschlagen wollen; ein weibliches Individuum scheint daher wohl nie zum Zwitter werden zu können; ein Anderes wäre es mit den Männchen, da diese bei den allermehrsten Vögeln alle Theile zweifach haben, so dafs blos die undurchbohrte einfache Ruthe einiger Vögel eine Einzelnheit darbietet.

Es sind, so viel ich weils, nur zwei Beispiele von Vögelzwittern an- gegeben, allein beide ohne Gewicht.

Ant. de Heide (#natome Mytuli, Subjecta est Centuria obss. Amst. 1684. 8. p. 193. os. 95.) giebt selbst seinem Fall die Überschrift: Galli, gu putabatur hermaphroditus, anatome rudis, und mehr ist es auch nicht. Zwei

über Zwitterbildung. 61

Verwandte haben ihm nämlich ihre Beobachtungen über einen Hahn mitge- theilt, der wie ein Huhn zu Nest ging, jedoch ohne Eier zu legen. In sei- nem Leibe fand man eine Menge Eier; einige die grofs waren und aus blofsem Eigelb bestanden; andere von der Gröfse des Sperlingseies, in einer dicken Haut (putamen) nur Eiweifs enthaltend. Hinten fand man die Öff- nung des Eiergangs ( foramen ovis excludendis aptum), und eine Ruthe; über- dies in der Unterleibshöle einen ziemlich grofsen Hoden.

Den andern Fall hat Bechstein. Er sagt (Naturgeschichte der Vögel Deutschlands S. 1219.) er habe vom Haushahn einen wahren Zwitter besessen. Dieser hatte einen dicken gefranzten Kamm, lange Kehllappen und war übri- gens in allen Stücken das Mittelding zwischen einem Hahn und einer Henne. Er hatte also mittelmäfsig gebogene und zugespitzte Steifs- und Halsfedern, einen halbgekrümmten Schwanz und einen doppelten Sporn. Er verabscheute die Gesellschaft der Hühner, und mufste sich äuch vor Hahn und Hühnern beständig fürchten, indem sie auf ihn bissen. Er ging daher immer allein und war so einfältig, dafs er fast alle Abend gesucht und nach Hause getrie- ben werden mufste. Er krähte beständig, aber nur, wie es die Hennen zu- weilen thun, sang aber auch wie diese. Nie sah Bechstein, dafs er Lust bezeugt hätte, ein Huhn zu treten, oder sich vom Hahn treten zu lassen. Bei der Öffnung fand sich die doppelte Ruthe, nur ein Testikel, aber auf der andern Seite ein Eierstock, dessen Eierchen nicht gröfser als Hirsenkörner waren. Auch die Galle war nur wie ein Kiel von einer Rabenfeder und wurmförmig gestaltet. Er war zweijährig und inwendig und auswendig wie mit Speck überzogen. Seine Farbe war schneeweils.

Ich begreife nicht, wie Bechstein hierin hat einen Zwitter sehen können; es war nichts als ein verkrüppelter Hahn. Die beiden angeblichen Ruthen oder die Enden der Samenleiter sprechen ja deutlich dafür; bei einem Zwitter hätte er den Eiergang einerseits und andererseits eine solche Ruthe finden müssen; jenes Theils erwähnt er aber gar nicht. Was er für einen Eierstock hielt, war ohne Frage, wie schon die nierenförmige Gestalt zeigt, ein in Hydatiden ausgearteter Hoden. Es war also blos ein kranker Zustand.

Heide’s Fall ist so obenhin angegeben, dafs man nichts Gewisses darüber ‚sagen kann. Die Eier aus Eiweifs mit den dicken Schalen waren gewifs Hydatiden, die ich bei dem Hühnergeschlecht häufig gefunden habe.

62 Revo euı

Übrigens aber sagte dieser Fall sehr viel mehr, als der Bechsteinische, wenn er eine bessere Auctorität für sich hätte.

Unter den Säugthieren sind auch nur sehr wenige Fälle eines seit- lichen Hermaphroditismus bekannt, ja mit Sicherheit ist nur einer zu nennen. Ich spreche demnach hier meinem Plane gemäfs nur von diesem und über- gehe die von Hunter, Mascagni, Meckel(*), Borkhausen, Scriba und andern bekannt gemachten Fällen, wo aufser den mehr oder weniger vollständigen Geschlechtstheilen einer Art, noch die des andern wenigstens im Rudiment vorhanden waren.

Diefs ist ein Mehrfachwerden der Theile und weicht daher durchaus von der Misbildung ab, welche ich hier durchgehe.

Im dritten Heft des zweiten Bandes des Archivs für Thierheilkunde (Zürich 1824. 8. S. 204-6.) theilt der Thierarzt Schlumpf einen Fall mit, dessen Beschreibung nur wenig zu wünschen übrig läfst. Ein Kalb ward zu rechter Zeit mit sehr geringen Lebenszeichen geboren. Äufserlich zeigten sich daran männliche Geschlechtstheile, nur endigte sich der Schlauch etwas mehr nach hinten und von dem Nabel entfernter mit den an dieser Stelle verlängerten Haaren. An der Stelle wo sonst die Hoden stehen, standen die Euter mit der gewöhnlichen Anzahl Zitzen.

Die Gebärmutter hatte nur ein Horn mit einer Trompete und einem Eierstocke, welche durch ein Band an die rechte Seite der Lenden befestigt waren. Der Hals derselben verlor sich, da weder Mutterscheide noch Schaam vorhanden war, in das Zellgewebe unter dem Mastdarm. Etwas hinter und unter der rechten (linken?) Niere befand sich ein durch Zellengewebe mit demselben verbundener, etwa um die Hälfte zu kleiner Hode, von welchem aus ein mit der Bauchhaut verbundener Samenstrang gegen den Bauchring ging, und sich hier im Zellgewebe verlor.

Weiter fand sich nichts, dafs auf diese Theilung Bezug hatte; da der Verfasser von beiden Theilen die Lage an der rechten Seite angiebt, so

(*) Vergl. darüber Meckel in Reil’s Archiv, XI. Bd. S.331-338. Dahin gehört auch der bekannte Fall von einer Zwitterratte, die bei Hernandez beschrieben ist; beiderlei Geschlechtstheile waren nämlich ganz vollständig. Eine minder vollständige Duplicität der Geschlechtstheile bei einer Ratze, beschreibt Jo. Jac. Döbelin den Nov. Zitterarüs Maris Balthiei von 1698. S. 238.

über Zwitterbildung. 63

könnte man wohl darin einen Schreibfehler vermuthen. Auch erregt es einen, doch nur geringen, Zweifel, dafs sich die Theile blos im Zellgewebe endigten. Doch kann es recht wohl so gewesen sein.

Der von Valmont de Bomare (Journ. de Phys. T.1I. p. 506-509.) erzählte Fall eines Damhirsch-Zwitters, welchen die Schriftsteller hieher rechnen, scheint mir gar nicht hieher zu gehören. Es waren beide Testikel mit ihren Samensträngen vorhanden; Fallopische Röhren und Eierstöcke hingegen fehlten; was für einen mifsgestalteten ungehörnten Uterus gehalten ist, scheint mir die vereinigte Samenblase. Es war also wohl nur ein Dam- hirsch mit Hypospadie.

Otto hat mir auch erzählt, dafs er bei Renner in Jena einen ähn- lichen Fall von einer Ziege gesehen zu haben glaube, als der ist, den ich gleich von einem Kinde beschreiben werde.

So häufig bei dem Menschen ein solcher Zustand erscheint, wo einzelne Theile der Geschlechtsorgane wenig ausgebildet sind, oder in das andere Geschlecht übergehen, so dafs etwas mehr dem männlichen, anderes mehr dem weiblichen angehört, so selten sind dagegen die Beispiele wo ein seitlicher Hermaphroditismus vorkommt.

Desto angenehmer war es mir daher, im März d.J. einen solchen Fall selbst untersuchen zu können. Ich fand nämlich bei einem auf das Anatomische Theater gelieferten Kinde, dessen Alter zu sieben Wochen an- gegeben ward, das seiner Gröfse nach jedoch über ein Vierteljahr nach der Geburt gelebt zu haben schien, äufserlich eine unten gespaltene Ruthe (Hypospadie), in der rechten Hälfte des Hodensacks einen Hoden, die linke Hälfte hingegen klein und ohne Hoden. Inwendig zeigte sich eine Gebär- mutter, deren linkes oberes Ende mit einer Fallopischen Röhre versehen ist, und hinter welchem der mit seinem Bande versehene Eierstock liegt, so wie sich auch der Fledermausflügel und das ganze breite Band, nebst dem in den Schamberg dringenden runden Mutterbande ganz wie gewöhnlich ver- hieli. Auf der rechten Seite hingegen endigte sich oben die Gebärmutter stumpf, und hatte weder Fallopische Röhre, noch Eierstock, weder breites noch rundes Mutterband. Dagegen fand sich auf der rechten Seite ein völ- lig ausgebildeter Hoden, dessen Nebenhoden in einen Samenleiter übergeht, von ganz gewöhnlicher Bildung, ja es fehlte sogar nicht das kleine blinde

64 Rw»2o Le

Gefäfs desselben. Unter der Gebärmutter liegt ein ovaler, platter harter Körper der geöffnet eine ringsum geschlossene Höle mit dicken Wänden zeigt. An diesem Körper endet sich die Gebärmutter, jedoch ohne dafs ihr Mund in seine Höle dringt, sondern ihre Wände gehen in seine Aufsen- wand über; eben so geht auf der rechten Seite der Saamenleiter in seine Wand, ohne in die Höle zu dringen; endlich geht unten von diesem rings- umgeschlossenen Körper die Scheide ab, welche durch ihre hinteren und vorderen Säulen kenntlich ist, und sich nach unten blind endigt. Die Harn- röhre öffnet sich in die gutgebildete Blase; After und Mastdarm sind natür- lich beschaffen, so wie ich auch keine andere Anomalien an dem Kinde wahrgenommen habe.

Der Körper an dem sich oben der Uterus, unten die Scheide, rechts das Samengefäfs blind endigen, scheint mir ein Rudiment der Vorsteher- drüse und Samenblasen zu sein. Dafs er einfach ist macht nichts aus, denn in einem von dem trefflichen Heim an das Museum geschenkten Präparat von einem Hypospadiäus habe ich auch die Samenbläschen in eine grofse Blase (wie bei Hasen und Kaninchen) vereinigt gesehen, welches die sich unten daran endigenden Samenleiter beweisen. Dadurch ist der sogenannte Uterus cystoides, den manche Schriftsteller bei Hypospadiäen gefunden ha- ben wollen, zugleich erklärt.

In Gautier’s Observations sur U’ histoire naturelle (Annee 1752. T.]. 2.Part. p. 71. Tab.C.) ist die Anatomie der Geschlechtstheile eines drei- zehn bis vierzehn jährigen Kindes von Sue mitgetheilt, der sie (1746) unter Verdier’s Augen anstellte, welcher letztere auch das Präparat aufhob. Das Kind war männlichen Geschlechts geglaubt, da es mit einer Ruthe und mit einem Hodensack versehen war. Bei der Section fand sich eine Gebär- mutter an gewöhnlicher Stelle, welche rechts den Eierstock, die Fallopische Röhre und das runde Mutterband zeigte, das in die Weiche ging. An der linken Seite hingegen war ein Kanal, der sich in einem schmächtigen und verlängerten Hoden zeigte; an seinem obern Theil war ein Körper, der die Stelle des Nebenhodens versah. Von dem Testikel sah man zwei Röhren abgehen, die sich in den ersten Kanal neben seiner Einsenkung in die Ge- bärmutter, einmündeten.

Die Scheide endete sich mit einer sehr kleinen Öffnung vorne am Scrotum, so wie die gespaltene Harnröhre der Ruthe.

über Zwitterbildung. 65

Hier war also Hypospadie, wie in dem von mir beschriebenen Falle; allein die Scheide war unten offen, und der Samenleiter öffnete sich in die Gebärmutter, welches wichtige Unterschiede sind.

DerFall, welchen Pinel (Memoires de la Societe medicale d’emulation. A.annee. Paris. an IX. p. 341-3.) aus den Abhandlungen der Gesellschaft in Dijon anführt, scheint in mancher Hinsicht mit dem meinigen sehr übereinzu- stimmen. Bei einem Handlungsburschen von ungefähr achtzehn Jahren fand Varole sehr grofse Brüste, Hypospadie, ein getheiltes Scrotum, doch nur in der rechten Hälfte einen Hoden, dessen Samenleiter in eine einfache mehr rechts gelegene Samenblase überging, doch nicht wie gewöhnlich hinten in ihren Hals, sondern in die Mitte ihres äufsern Randes. Zwei Ka- näle gingen von der Samenblase ab, durch den einen communicirte sie mit der Harnröhre, und durch den andern, anderthalb Zoll langen, mit einer kleinen ovalen, etwas abgeplatteten Gebärmutter ohne Hals, die aber mit einem Eierstock, mit einer Fallopischen Röhre, mit einem breiten und run- den Mutterbande versehen war; das letztere verlor sich im linken Sack des Scrotums.

Die Ähnlichkeit dieses und meines Falls würde noch gröfser sein, wenn hier nicht die Samenblase offen gewesen wäre. Hier fehlte auch die Scheide.

Der andere Fall, welchen Pinel (p. 340.) nach Petit anführt, war ein Hermaphroditismus mit Duplieität und gehört nicht hieher. Eben dahin gehört auch der von Marot in den Mem. de Dijon beschriebene Fall, und man könnte noch mehrere aus Arnaud aufzählen.

Der von Arnaud (Memoires de Chirurgie T. 1. p. 283.) beschriebene Fall, welchen Horkel hieher zieht, scheint mir blos einen unvollkommenen männlichen Zustand darzustellen. Es war Hypospadie vorhanden. Beide Samenstränge natürlich, der eine Hoden, wie gewöhnlich, der andere ver- kümmert und im Becken liegend; ich kann wenigstens keine Gebärmutter darin finden, da weder Eierstock noch Trompete noch Mutterbänder daran vorhanden waren.

Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich, dafs die Fälle von einem seitlichen Hermaphroditismus bei den Schmetterlingen, besonders bei den Phys. Klasse 1825. : I

66 Ruvouenı

Spinnern häufig; bei den Fischen vielleicht nicht selten; in allen andern Thier- klassen aber sehr selten, Jain einigen noch nicht beobachtet sind. Noch mehr aber ergiebt sich, bei wie wenigen eineirgend genügende Untersuchungangestellt ist, so dafs jeder neue Fall die gröfste Aufmerksamkeit des Finders verdient.

Bei den Vögeln weiblichen Geschlechts scheint ein solcher einfacher seitlicher Hermaphroditismus unmöglich, weil alle Geschlechtsorgane bei ihnen einfach sind.

Bei den Tagschmetterlingen, wo sich nur ein einfacher Hoden findet, scheint aus ähnlichem Grunde der Fall eben so wenig denkbar, allein nur wenn man den früheren Zustand übersieht. Bei der Raupe liegen zuerst zwei seitlich getrennte Organe, die erst späterhin zu einem Hoden ver- schmelzen; da nun aber diese Zwitterbildung in die allerfrüheste Zeit des Embryo fällt, so ist die Sache ohne Schwierigkeit.

Es ist ohne Frage bei dem ersten Keim des Embryo so wenig ein Ge- schlecht, als manche andere Organe des Unterleibs, die sich erst späterhin bilden. Das erste Rudiment der Geschlechtsorgane ist noch nicht entschie- den, und daher müssen bestimmte Ursachen, die wir jedoch nicht ken- nen, das eine oder andere Geschlecht veranlassen; und können wir die- sen Satz nicht läugnen, wie es wirklich der Fall ist, so ist leicht begreiflich, wie Einzelnes in demselben Individuum hier oder da, oder an einer bestimm- ten Seite, männlich oder weiblich werden kann.

Jene Ursachen müssen im Allgemeinen von grofsem Einflufs sein, da wir so entschiedene Verhältnisse sehen. Bei dem Menschen überall ein sehr gleiches Verhältnifs beider Geschlechter, bei so vielen Thieren hingegen ein ungeheures Übergewicht der weiblichen Zahl, so dafs wir darin, wie in so vielen andern, die wohlthätigen Spuren einer höheren Anordnung erblicken. Wo ein Hermaphroditismus mit Duplicität hingegen eintritt, da müssen wir auf ein mehr oder minder starkes Durchdringen der Keime im Zeugungsaet schliefsen, wobei Manches der Entwicklung unfähig bleibt, bald weniges, bald vieles; so können Kinder fast ganz doppelt erscheinen, oder haben nur einzelne äufsere oder innere Theile doppelt.

Eine vollkommne Ausbildung beiderlei Geschlechtstheile ist nur da zu erwarten, wo durchaus alle Theile doppelt sind, wie bei den Crustaceen, den Arachniden, den mehrsten Fischen, bei vielen Amphibien, bei den

mehrsten männlichen Vögeln.

über Zwitterbildung. 67

Bei keinem Insect ist eine vollkommne Entwicklung beider Ge- schlechtstheile zu erwarten, da namentlich die äufsern Theile, aber auch einige innere nicht doppelt sind. Die beiden von Schultz und Klug untersuchten Fälle beweisen dies zur Genüge. In dem von Scopoli ange- führten Falle ist sogar eine wirksame Befruchtung der Eier angenommen, allein die Eier werden ja nicht bei den Insecten aufserhalb des Körpers befruchtet, wie bei den Fischen. Waren wirklich Raupen aus den Eiern des Spinners gekommen, so mufste Begattung mit einem andern Schmetter- ling statt gefunden haben.

Bei den Säugthieren ist so wenig eine zur Fortpflanzung genügende Ausbildung dieser Zwitter beobachtet als bei dem Menschen, und bei der Einfachheit mehrerer Theile ist auch nicht daran zu denken.

Sollte bei ihnen eine Befruchtung möglich sein, so müfste nothwen- dig ein Hermaphroditismus mit Duplieität statt haben.

III

12

68 ReuınD ou.» u.ı

Erklärung der Kupiertafeln.

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Tat. Der Körper des Kindes mit seitlicher Zwitterbildung, woran nur die hieher gehörenden Theile bezeichnet sind.

a. ai, Die Gebärmutter. a. der Grund, ar. der Hals derselben, zum Theil aufgeschnitten.

. Die Fallopische Röhre.

Der Eierstock.

. Der Hoden.

. Der Samenleiter, welcher in den vielleicht die Prostata vorstellenden Körper f. übergeht, der aufgeschnitten ist.

8. Die Scheide, aufgeschnitten.

h. Die Harnblase.

i. Der obere, k. der untere Theil des linken Harnleiters.

!. Der obere, m. der untere Theil des runden Mutterbandes.

n. Die linke Nabelpulsader.

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Taf. I. Derselbe Körper, woran die männlichen Organe mehr auseinander gelegt

sind. . Die Gebärmutter. . Die Fallopische Röhre. Der Eierstock. . Der Hoden. Der Nebenhoden. Der Samenleiter. Die Vorsteherdrüse? von aufsen.

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Taf. IN. Fig. 1. Die Ruthe und der Hodensack des Zwitterkindes. a. Die zurückgezogene Vorhaut.

über Zwitterbildung. 69

b. Die Eichel, unter welcher die Harnröhre gespalten ist.

c. Der Hodensack.

Der Übergang der Gebärmutter a. der Scheide c. und des Sa- menleiters d. an den inwendig hohlen, aber rings geschlossenen Mittelkörper 2., der einige Analogie mit der Vorsteherdrüse hat, ungeöffnet.

Dieselben Theile, eben so bezeichnet. Das Ende der Gebär- mutter und der Scheide, so wie der Mittelkörper sind aufgeschnit- ten, und man sieht, dafs sie, wie auch der Samenleiter, sich blind daran endigen.

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Von dem in allen Metallen durch V ertheilung zu erregenden Magnetismus.

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[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 9. Juni 1825.]

1): Decemberheft der Annales de Chimie vom vorigen Jahre enthält die Anzeige von einer Entdeckung des Hrn. Arago über den Einflufs, welchen die Metalle und mehrere andere Substanzen auf die Magnetnadel ausüben, welcher darin besteht, dafs sie die Weite der Oscillationsbogen jener Nadeln vermindern, doch ohne merkbaren Einflufs auf die Dauer der Öscillationen. Bestimmte Angaben von den Resultaten der Versuche und von dem ange- wandten Verfahren sind weder in diesem noch in den beiden folgenden Hef- ten der Annales de Chimie gegeben worden. Einige genauere Angaben von Hrn. Arago’s Versuchen brachte uns in der Mitte des vorigen Monats das Londen Journal of Science, Literature and the Arts.1. No.XXXVI. Hier wurde S.447 mitgetheilt, Hr. Arago habe gefunden, dafs eine Declina- tionsnadel, welche in einem Holzringe aufgestellt, von ihrer natürlichen Stellung bis 45° entfernt, und sich selbst überlassen worden, 145 Schwin- gungen gemacht habe, bis sie zur Weite von 10° herabgekommen sei; dafs aber dieselbe Nadel in einem Kupferringe aufgestellt, nur 33 Schwingungen gemacht habe, bis sie aus einer Entfernung von 45 bis zu 10° gekommen sei. In einem andern leichtern Kupferringe habe dagegen die Zahl der Schwin- gungen von 45 bis 10° 66 betragen. Das Verhalten anderer Metalle war nicht angeführt.

Die Verminderung der Gröfse der Bogen und der Zahl der Schwin- gungen in dem Kupferringe deutete an, dafs in diesem Magnetismus erregt worden, und es konnten diese Versuche als die umgekehrten von denen angesehen werden, welche Coulomb 1812 dem Institut vorgelegt hatte. Coulomb hatte Nadeln von Kupfer, Gold, Silber, Zinn u.s. w.

72 SerseEcek: Fon dem in allen Metallen

zwischen zwei Magnetstäben schwingen lassen, und hatte gefunden, dafs die dureh die Torsionskraft der Seidenfäden bewirkten Öscillationen dieser Nadeln durch die Magnetstäbe vermehrt werden, an einigen Metallen mehr an andern weniger. In den Versuchen Arago’s schwebt ein Magnet zwischen den zu untersuchenden Metallen, erleidet nun aber eine Vermin- derung in der Zahl seiner Schwingungen. Wie sich auch die Wider- sprüche in den Resultaten der Versuche dieser beiden Physiker, die Ge- schwindigkeit der Oscillationen betreffend, einst aufklären mögen, so geht doch aus den von ihnen mitgetheilten Erfahrungen eine Empfänglichkeit der genannten Metalle für den Magnetismus durch Vertheilung hervor.

Zu wichtig war es mir, das Verhalten auch der übrigen Metalle zu kennen, und zu erfahren, ob zwischen der aus diesen Erscheinungen sich ergebenden Ordnung der Metalle und der aus meinen thermomagnetischen Versuchen hervorgegangenen Reihe irgend eine Beziehung statt finde, als dafs ich hätte unterlassen können jene Versuche Arago’s aufzunehmen und weiter zu verfolgen.

1. Das erste Resultat meiner Versuche fiel, ich kann wohl sagen, glücklicher Weise, höchst ungünstig aus, da es mich auf die zweckmäfsigste Vorrichtung zu diesen Versuchen führte, und mir dadurch Zeit und manche Kosten ersparte.

Eine Magnetnadel, welche innerhalb eines Glascylinders, an einem Coconfaden schwebend, aus der Stellung 45° vom magnetischen Meridian bis 10° in 116 Schwingungen gekommen war, während die Boussole auf einer Marmorplatte stand, machte eben so viel Schwingungen von 45-10°, als die Magnetnadel von einem !, Zoll breiten Ringe von Kupferblech umschlossen war. Auch als, in Ermanglung eines diekeren Kupferrin- ges, die Nadel mit Kupferstäben von % Zoll Dicke umgeben wurde, zeigte sich keine entschiedene Verminderung der Öscillationen der Nadel, wenigstens keine, die mehr als eine, höchstens zwei Schwingungen be- tragen hätte.

Dieser Erfolg konnte als ein Beweis angesehen werden, dafs der Ab- stand der Magnetnadelspitzen von den Kupferstäben (welcher über

7 Linien betrug),

für den im Kupfer zu erregenden Magnetismus noch zu grofs gewesen sei; da aber auch die im Zondon Journal angeführten That-

sachen die Resultate von Versuchen mit ganz kupfernen Boussolen seyn

durch Fertheilung zu erregenden Magnetismus. 13

konnten, deren übrige Theile zur Verminderung der Bogen beigetragen haben konnten, so hielt ich es für nöthig, vorläufig zu untersuchen, welche

eun-

Wirkung unter der Magnetnadel gelegte Metallscheiben auf die Schwing

gen derselben haben möchten.

2. Der erste Versuch wurde mit einer Zinkscheibe von 5, Zoll im Geviert und von $ Linie Dicke angestellt. Hier zeigte sich sogleich eine be- trächtliche Verminderung der Weite der Oscillationsbogen ; denn die Nadel kam schon nach 70-71 Schwingungen von 45 auf 10°.

3. Eine noch stärkere Verminderung der Öscillationsbogen bewirkte eine eben so grofse, doch nur ‚\, Linie dicke Kupferscheibe. Die Nadel machte hier von 45 bis 10° Abweichung nur 61-62 Schwingungen.

Bemerken mufs ich noch, dafs in diesen, so wie in den folgenden Ver- suchen, die Metallscheiben auf der oben angeführten Marmorplatte lagen, welche eine gleichförmige blafs gelbliche Farbe hatte, und mit einem dün- nen Blatte Papier bedeckt war. Die Compafsrose war gleichfalls von Papier, und die Magnetnadel schwebte ungefähr 2} bis 3 Linien über derselben. Stand die Boussole unmittelbar auf dem Marmor, so machte die Magnet- nadel 116 Schwingungen; eben so viel Schwingungen machte sie auch, wenn sich eine Glasscheibe oder Pappscheibe von } Linien Dicke zwischen der Boussole und Marmorplatte befand.

4. Als jene beiden Scheiben von Zink und Kupfer mit einander verbunden, die letztere oben liegend, unter die Boussole gebracht wurden, machte die Nadel nur 47-48 Schwingungen.

5. Jede neu hinzugefügte Kupfer- oder Zink platte verminderte die Weite der Schwingungsbogen und somit auch die Zahl der Schwingun- gen der Magnetnadel, wie man jene Platten auch schichten und ordnen mochte, doch fand immer eine beträchtlichere Verminderung statt, wenn die hinzugefügten Kupferplatten der Nadel näher lagen als die Zin kplat- ten, weil Kupfer die Öscillationen stärker hemmt als Zink, wie schon die zwei ersten Versuche lehrten.

6. Vier Zink scheiben unmittelbar auf einander liegend, verbunden mit vier Kupferscheiben, auf welchen die Boussole stand, verminderten die Zahl der Schwingungen der Nadel bis auf 25.

7. Diese 4 Zink-und 4 Kupferscheiben mit ihren blanken Flächen wechselsweise auf einander geschichtet (von unten herauf ZA, Z Ku. s. w.)

Phys. Klasse. 1825. K

74 SeEegeEck: Fon dem in allen Metallen

wirkten nicht völlig so stark wie bei der vorigen Anordnung; die Nadel machte nun 26 Schwingungen bis sie auf 10° kam.

8. Eine eben so grofse Verminderung der Zahl der Oscillationsbogen als dieser Apparat bewirkte schon eine einfache Kupferscheibe von 4 Li- nien Dicke (welche also um -;; Linie dicker als ein einfaches Paar jener Kupfer- und Zinkplatten war); denn auch über dieser machte die Nadel nur 26 Schwingungen.

9. Aus diesen Versuchen geht also hervor, dafs die gröfsere Vermin- derung der Weite der Schwingungsbogen in den Versuchen $. 4 und 6 nicht electrischen Einflüssen zugeschrieben werden könne, sondern dafs sie eine Folge der auf die Magnetnadel wirkenden gröfseren Masse der Metalle sei.

10. Auch Voltaische Säulen von einigen Paar Kupfer-, Zink- und mit flüssigen Leitern benetzten Pappscheiben zeigten weiter keinen Ein- flufs, als dafs sie die die Oscillationen hemmende Wirkung der Metalle in dem Grade schwächten, als es auch trockene, zwischen den Metallen ein- geschobene Pappscheiben dadurch thaten, dafs sie einen Theil der Metall- platten weiter von der Magnetnadel entfernten. Es versteht sich, dafs hier nur von ungeschlossenen Säulen die Rede ist, an welchen jedoch immer am unteren Ende eine Ableitung angebracht war.

11. Die die Oseillationen der Magnetnadel hemmende Wirkung der Metalle wächst zwar, wie wir gesehen haben, im Verhältnifs der Höhe der unter der Nadel aufgeschichteten Scheiben; dies geschieht aber nur bis zu einer gewissen Grenze, über welche hinaus keine Verstärkung jener Wir- kung weiter erfolgt, wie sich aus folgenden Versuchen ergiebt.

12. Hatte die in den vorhergehenden Versuchen angewandte pfeil- förmige Magnetnadel, von 2 Zoll Länge, über Einer Kupferplatte von 47 Zoll im Geviert und 2, Linien Dicke 26 Schwingungen gemacht, so be- trug die Zahl derselben

über 2 solcher Kupferplatten nur 17-18 Schwingungen

Fe = 14 2.

4 13 —_

de 12 und etwas darüber 06 .— 12 _ genau Hal == 11 = und etwas darüber

58 —_ 11 —_ genau

durch Vertheilung zu erregenden Magnetismus. 75 über 9 solcher Kupferplatten nur 11 Schwingungen genau 10 —_ _ 11 = _ 20 _ _ 11 E 530 —_ —_ 14 —_ FREI BEREER = ti m au 13. Zur Vergleichung wurden auch Versuche mit Zinkplatten von

derselben Gröfse wie die eben erwähnten Kupferplatten, doch von 2 Linien Dicke, angestellt. Die Magnetnadel von 45-10° Deecl. über 1 Zinkplatte 51 Schwingungen

—ı 9 47 Am: =— 42 —_ er 42 nicht völlig.

In der Dicke kamen diese 4 Zinkplatten den vorbenannten 9 Kup- ferplatten nahe, im Gewicht aber waren 5 Kupferplatten jenen 4 Zink- platten fast gleich. In der die Oseillationen hemmenden Kraft steht also Zink dem Kupfer beträchtlich nach.

14. Die Wirkung der Metalle auf die Magnetnadel nimmt in geradem Verhältnifs mit der Entfernung der Nadel von den Metallen ab. In der Zahl der Schwingungen der Magnetnadel fand ich bei gleichem Abstande der Boussole von den Metallen keine Verschiedenheit, es mochte sich zwischen denselben Luft, Glas, Holz oder Pappe befinden.

15. Erwärmung der Metallscheiben scheint keine bedeutende Ver- änderung in ihrer Wirkung auf die Magnetnadel hervorzubringen; die Zahl der Schwingungen betrug wenigstens über einer bis zum Anlaufen erwärm- ten Kupferplatte genau so viel als vorher in gewöhnlicher Temperatur.

16. In dem Vermögen die Weite der Oseillationsbogen zu vermin- dern wurde das Kupfer noch vom Silber übertroffen. Denn die Magnet- nadel, welche über einer -, Linie dieken Kupferscheibe von 45 - 10° in 62 Schwingungen gekommen war, machte über einer gleich grofsen, doch nicht völlig / Linie dieken Scheibe von Kapellensilber nur 55 Schwin- gungen, und über einer 4, Linie dicken Silberscheibe 38 Schwingungen.

17. Am beträchtlichsten wurden die Oscillationsbogen der Magnet- nadel vom Eisen vermindert. Schon eine mit einer Mischung von Eisen- feilspänen und Baumwachs ganz dünn und gleichförmig bestrichene

K2

76 SEEBEckK: Fon dem in allen Metallen

Pappscheibe liefs die Magnetnadel nur 59 Schwingungen vollbringen, welche für sich zwischen denselben Abweichungswinkeln 116 Schwingungen machte. Eine -, Linie dicke und 49 IZoll grofse Scheibe von Eisenblech, welcher vorher durch Glühen alle Polarität genommen worden, brachte die Zahl der Schwingungsbogen jener Nadel sogar bis auf 6 herab, als sie sich in einem Abstande von beinahe 4 Zoll von der Scheibe befand.

18. Über das Verhalten sämmtlicher bisher untersuchten einfachen Metalle gegen die zu den vorhergehenden Versuchen benutzte Magnetnadel giebt folgende Tabelle Auskunft.

Die 2! Zoll lange Magnetnadel machte in einem Abstande von 3 Li-

nien von den Metallflächen

über Quecksilber von 2 Linien Dicke 112 Schwingungen Wismuth a 22406 Ra Platina - 4 - Pe 94 E Antimon a Aue 90 ae Bley - 3:3 u 89 “2 Gold - 1 i: 39 u Zink 14 ee ze ee Zinn u = 63 Fr Messing - 4 - _ 62 Kupfer - 5 - Zu 62 u Silber - 5 —- E 55 zu = Bisen _ m er ee 6 en

Die Magnetnadel für sich auf der Marmorplatte oder blofs in 3% Fufs Höhe über dem Fufsboden schwebend, machte 116 Schwingungen.

In dieser Tabelle sind die Metalle nur nach der Zahl der Schwingun- gen, nicht nach ihrer Wirkung im Verhältnifs der Dicke geordnet. Würde diese mit berücksichtigt, so würde Platina und besonders Gold, welches das dünnste von allen war, eine tiefere Stelle in der Reihe erhalten, und auch Zink unter Zinn zu setzen seyn.

Die Länge und Breite dieser Metallscheiben war verschieden, doch waren auch die kleinsten 1 Zoll, andere 2-3 Zoll im Geviert gröfser als die Magnetnadel lang war.

19. Durch Zunahme der Länge und Breite der Platten über die Länge der Magnetnadel wird die hemmende Wirkung derselben nicht ver-

durch Fertheilung zu erregenden Magnetismus. 77

stärkt, wohl aber wird sie vermindert, wenn die Platten schmäler und kür- zer gemacht werden, als die Nadel lang ist. Die Oscillationsbogen von dieser werden dann wieder gröfser.

20. Schmale Stangen und Blechstreifen vermindern die Weite der Oscillationsbogen der Magnetnadel nur dann, wenn sie der Länge nach in- nerhalb der Fläche liegen, über welche die Nadel spielt, also wenn sie im magnetischen Meridian liegen, oder diesen bei unsern Versuchen höchstens unter einem Winkel von 45° schneiden, doch ist in letzterem Falle die Ver- minderung der Schwingungen geringer als im ersteren.

Keine, oder eine höchst geringe Verminderung der Oseillationsbogen findet dagegen statt, wenn diese schmalen Stangen oder Blechstreifen von Osten nach Westen gerichtet sind.

Die vorige Magnetnadel machte über einer viereckigen Kupferstange von 1 Fufs Länge und 5 Linien Dicke, welche im magnetischen Meridian unter derselben lag, 49-50 Schwingungen von 45-10°. Sie machte aber 116 Schwingungen (also genau so viel wie für sich allein), als die Kupfer- stange unter dem Mittelpunkt der Nadel lag und den magnetischen Meridian rechtwinklig schnitt.

21. Zwei solcher Kupferstangen neben einander von O. nach W. liegend, bewirkten dagegen schon eine Abnahme der Schwingungsbogen, weil die Fläche, welche sie der Magnetnadel in der Richtung von N. nach S. zukehrten, nur eine Breite von 10 Linien hatte. Die Nadel über dersel- ben machte 82 Schwingungen innerhalb der Gränzen der bekannten Decli- nationswinkel.

Viel stärker war aber die Wirkung dieser beiden Metallstäbe als sie von N. nach S. neben einander unter der Magnetnadel lagen. Diese machte nun nur 40 Schwingungen.

22. Lagen die beiden Kupferstäbe, oder auch drei derselben in der Richtung vonN. nach S. auf einander unter der Nadel, so war die Hem- mung der Öscillationen minder stark als in dem vorhergehenden Falle. Die Nadel machte nun noch 48-49 Schwingungen.

23. Eine Verminderung der Öscillationen fand auch statt, obwohl eine sehr geringe, wenn nur ein kleiner Theil der Enden der Mag- netnadel über zwei von N. nach S. liegenden Kupferstäben schwebte, welche aber in dem Verhältnisse zunahm, als die beiden Stäbe dem Mittel-

78 Srersecxk: Yon dem in allen Metallen

punkte der Nadel genähert wurden, und abnahm als sie weiter nach N. und nach S. entfernt wurden.

235). Eine St Zoll lange pfeilförmige Magnetnadel, welche für sich 35 Schwingungen machte, oscillirte über einer 4 Zoll langen und breiten und #, Linie dieken Kupferplatte 29 mahl; über einer 1 Quadratfufs grofsen und -; Linie dicken Platte aber nur 22 mahl.

24. Das Verhalten der Ringe wurde nun auch genauer untersucht, und es ergab sich, dafs diese zwar gleichfalls, doch viel schwächer als die Scheiben, Stangen und Blechstreifen wirken, und auch bei gröfserem Volumen und bei gleichem Abstande von der Nadel die Zahl der Schwin- gungsbogen bei weitem nicht so beträchtlich vermindern als die viel dünne- ren unter der Nadel liegenden Blechstreifen und Platten, wie folgender Versuch beweist.

25. Eine dünne, aus einer Uhrfeder verfertigte Magnetnadel von 3Zoll 7 Linien Länge und 1! Linie Breite, welche an einem Coconfaden aufgehängt, für sich 30 Schwingungen machte, erlitt innerhalb eines % Zoll dicken und 4 Zoll im Lichten haltenden Kupferringes eine Verminde- rung der Weite der Öseillationsbogen, so dafs sie nun nur 26 Schwingun- gen machte. Über einer 4 diese Nadel in einemAbstande von 3 Linien schon in 19 Schwingungen von 45-10°.

26. Eine Magnetnadel von 8} Zoll Länge und 2 Linien Breite, mit

Linie dieken Kupferplatte kam dagegen

der flachen Seite vertikal gestellt, welche für sich 103 mahl innerhalb jener Grenzen oscillirte, machte, umgeben in einem Abstande von 3 Linien

mit einem Kupferringe von 2 Linien Dicke und 1 Zoll Breite, 62 Schwingun-

ö gen, während sie über einer Kupferplatte von # Linien Dicke und in einem Abstande von 6! Linien nur 27-28 Schwingungen vollbrachte.

27. Das Verhalten einer Magnetnadel von Nickel, deren Länge 2 Zoll betrug, und welche für sich 114 Schwingungen von 45 - 10° machte, wurde von einer 2} Zoll langen und 120 Schwingungen machenden Magnet- nadel von Stahl darin abweichend gefunden, dafs die Schwingungsbogen von jener in geringerem Grade als die von dieser vermindert waren, obwohl die letztere etwas höher über den Metallplatten stand als die erstere.

TI Oo

durch Vertheilung zu erregenden Magnetismus.

So z. B. machte

Die Stahlnadel. Die Nickelnadel. Uber einer; Linie dicken 2 Platte 61-62 Schw. 75-79 Schw. a a a 44-45 0-4 ra BR ln au En fer ee er ee ER

Noch ist zu bemerken, dafs jene Nickelnadel nicht nur kürzer, sondern anch leichter war als die Stahlnadel. Steht nun schon eine Nickelnadel einer Stahlnadel von gleicher Form und gleichem Gewicht in der Stärke des Magnetismus nach, wenn beide bis zur Sättigung magnetisirt worden, so mufste die zu diesen Versuchen angewendete Nickelnadel der Stahlnadel in der Intensität des Magnetismus um so mehr nachstehen. Und dieses ist als die Hauptursache des verschiedenen Verhaltens der beiden Nadeln gegen die Metallscheiben anzusehen. Diese Versuche sollen übrigens noch mit gleichartigen Nadeln wiederhohlt und weiter verfolgt werden.

25. Den von Herrn Arago bemerkten Isochronismus der Schwin- gungen betreffend, wurden nun auch einige Versuche angestellt, welche, wie zu erwarten war, bestätigend ausfielen.

Die Magnetnadel von 2} Zoll Länge machte über 6 Kupferplatten von 42 Zoll im Geviert und , Linie Dicke genau 12 Schwingungen von 45-10° innerhalb 20 Secunden 32, 6 Tertien.

Dieselbe Magnetnadel über Eine der vorigen Kupferplatten schwe- bend, machte von 45-10° 26 Schwingungen. 12 solcher Schwingungen vollbrachte sie, nach dem Mittel aus mehreren Versuchen, in 20 Secunden 29, 6 Tertien.

Diese Nadel auf der blofs mit einem Blatt Papier bedeckten Marmor- platte stehend, kam von 45-10° in 120 Schwingungen. Von diesen wurden 12, im Mittel, in 20 Secunden 41, 8 Tertien vollbracht.

Diese Nadel über einer mit Eisenfeilspäne und Baumwachs bestrichenen und mit einem Blatt Papier bedeckten Pappscheibe schwe- bend, von 45-10° 60 mahl oscillirend, machte ihre 12 Schwingungen, gleichfalls in 20 Secunden 38, 6 Tertien.

29. Wir wenden uns nun zur Erklärung dieser Erscheinungen und zur Angabe der Gesetze im Allgemeinen, denen zu Folge eine Verminde-

80 SEEBECK: Fon dem in allen Metallen

rung der Öscillationsweite der über Metallen schwebenden Magnetnadeln und Isochronismus der Schwingungen statt findet.

Wie alle Körper im Lichte leuchtend werden, so werden auch alle durch Magnete magnetisch, doch giebt es für beide Zustände, den leuch- tenden wie den magnetischen, unzählige Stufen. Brugmanns und Cou- lomb nennen uns eine grofse Zahl von Körpern, welche dem Magnete folgen; unter diesen zeichnen sich vorzüglich die Metalle aus, welche, wie auch unsere Versuche bestätigen, durch Magnete am leichtesten und stärk- sten zu gleicher Thätigkeit und zur Gegenwirkung gegen die ihnen zu- gewendeten Pole angeregt werden. Denn nur in so fern als sie durch Vertheilung magnetisch werden, sind die verschiedenen Metallschei- ben, Stäbe und Ringe im Stande, die Weite der Öscillationsbogen der Magnetnadeln zu vermindern. Die Magnetnadel selbst setzt sich ihre Hemmung, indem sie in den unter und neben ihr befindlichen Metallen die entgegengesetzten Pole hervorruft. Und da sie nun dasselbe an jedem Punkte, über oder neben den sie schwebt, thut, so mufs ihre Bewe- gung nothwendig vermindert werden, und dies um so mehr, eines je höheren Grades des Magnetismus das in der Nähe der Nadel aufgestellte Metall fähig ist.

Die Magnetnadel wird also auch, wenn sie ihrer ganzen Länge nach über einer Metallscheibe schwingt, wo jeder Theil derselben bis zum mag- netischen Mittelpunkt der Nadel hin, hemmend wirkt, in ihren Öscillations- bogen eine stärkere Verminderung erleiden müssen, als innerhalb eines Metallringes, in welchem zwar das Ende der Nadel bei gleichem Abstande auch mit gleicher Stärke den entgegengesetzten Magnetismus erregt, wie über der Scheibe, die übrigen Theile der Nadel aber um so schwächer wirken, je gröfser ihr Abstand von dem Ringe ist.

30. Wenn nun der Magnetismus, welchen die Magnetnadeln in den unter ihnen liegenden Metallen erregen, und die Rückwirkung jenes Magne- tismus auf den der Nadeln die Ursache der Verminderung ihrer Schwingungs- bogen ist, so werden schwache Magnetnadeln, unter übrigens gleichen Umständen, eine geringere Verminderung in der Weite ihrer Oseillations- bogen erleiden müssen als stärkere Magnete. Das Verhalten der oben erwähnten Nickelnadel, welche über allen Metallen gröfsere Bogen beschrieb, bestätigt dies.

durch Vertheilung zu erregenden Magnetismus. s1

Wenn nun ferner die Vermehrung der unter den Metallen aufgehäuf- ten Metallmasse über eine gewisse Grenze hinaus keinen Einflufs weiter auf die Schwingungsbogen hat, wie oben gezeigt worden, und wenn hieraus folgt, dafs die Stärke des in den Metallen durch Vertheilung erregten Mag- netismus im umgekehrten Verhältnifs des Abstandes der Theile von der Magnetnadel steht, so werden starke Magnete in gröfseren Metall- massen einen wirksameren Magnetismus durch Vertheilung erregen müs- sen, als schwache, und es wird also die Weite der Schwingungsbogen auch hierdurch in den stärkeren Magneten eine beträchtliche Verminde- rung erleiden.

Die Resultate einiger vergleichenden Versuche, welche in dieser Be- ziehung mit einer Magnetnadel von 7 Gran, und einem Magnetstabe von 11 Drachmen Gewicht, und 3} Zoll Länge, beide bis zur Sättigung magnetisirt, angestellt wurden, entsprachen völlig der Erwartung, wie fol- gende Tabelle zeigt.

Die leichte Magnetnadel, welche für sich in 30 Schwingungen von 45-10° kam, machte über Einer Kupferplatte von 42 Zoll im Geviert

und 2 Linie Dicke .......e.s00s0e0n00n0n00r. 21 Schwingungen über 2 solcher Kupferplatten 19 a: > 47 idee _ 15 _ und etwas darüber 5 _ 15 genau N > 15 ee nicht völlig ERER zu 15 —_ wie vorhin.

Der Magnetstab, welcher für sich erst nach 500 Schwingungen von

45-10° kam, machte über Einer Kupferplatte von ; Linie Dicke 32 Schwingungen über 6 Kupferpl. von 45 Zoll im

Geviert und #; Linie Dicke 12

10 solcher Kupfe rpl. 10 Fe _ 9 _ _— 30. = 9 - wie vorhin (*).

(*) Hierzu ZusatzI. am Ende der Abhandlung. Phys. Klasse. 18235. L

32 Serseox: Fon dem in allen Metallen

31. Nicht blofs die Schwingungen der Magnetnadeln und Stäbe in der Horizontalebene, sondern auch die in der Vertikalebene (die eigent- lichen Pendelschwingungen (*) werden durch die unter denselben befindlichen Metalle vermindert, und zwar mehr oder weniger nach der verschiedenen Natur und dem gröfseren oder geringeren Volumen der Metalle, über welchen sie schwingen, wie dies auch nach allem, was bereits angeführt worden, nicht anders zu erwarten war.

32. Die Wirkung der Metalle auf die in der Horizontalebene schwingende Magnetnadel besteht also in einer nur vorübergehend an jeder einzelnen Stelle durch die Magnetnadel selbst hervorgebrachten Hemmung der Bewegung, und es kann diese einigermafsen mit derjenigen Hemmung verglichen werden, welche die Nadel durch die Torsionskraft eines Fadens oder Drathes, an dem sie hängt, oder durch Friction einer Metallspitze, auf der sie schwebt, erleidet. Denn auch bei der durch Friction bewirkten Hemmung bleiben die Schwingungen einer Magnetnadel isochronisch, sie mögen in weiten oder engen Bogen osecilliren. Folgende Versuche mit einer Branderschen 8} Zoll langen Declinationsnadel bestätigten dies.

Auf einer Stahlspitze schwebend machte diese Nadel von 45 - 10° genau 12 Schwingungen. Diese vollbrachte sie, dem Mittel aus mehreren Versuchen zu Folge, in 1 Min. 12 Sec. 34 Tertien.

Am Coconfaden hängend, kam diese Nadel in 103 Schwingungen von 45-10°. 12 solcher Schwingungen machte sie, nach dem Mittel aus mehreren Versuchen in 1 Min. 12 Sec. 15 Tertien.

33. Nicht blofs durch die künstlichen Magnete, auch durch den Mag- netismus der Erde mufs in den Metallen eine magnetische Polarität hervor- gerufen werden, wenn sie einmahl derselben fähig sind, und es wird auch diese nothwendig auf das Spiel der Magnetnadel einigen Einflufs haben müssen. Dieser kann aber, so lange die Polarität der Nadel, oder vielmehr die richtende Kraft derselben überwiegend bleibt, nur darin bestehen, dafs er die Zahl der Schwingungen der Nadel vermehrt, weil der terrestrische Magnetismus gleichnamige Pole in den Metallscheiben mit denen der über ihnen schwebenden Magnetnadel erregt, wodurch Abstofsung und also auch Beschleunigung der Bewegung der Nadel erfolgen mufs.

(*) Hierzu Zusatz II. am Ende der Abhandlung.

durch Vertheilung zu erregenden Magnetismus. 83

Bei den Apparaten, welche zu den vorhergehenden Versuchen ange- wendet worden, kann die Einwirkung der durch terrestrischen Magnetismus erregten Polarität auf die Oseillationen der Nadel nicht beträchtlich ge- wesen seyn, weil sie grölstentheils eine für die Polarisation in der Richtung des magnetischen Meridians ungünstige Form hatten, da sie aus breiten Plat- ten bestanden. Dies bestätigt auch der Erfolg in dem oben angeführten Versuch mit der Eisenscheibe, obwohl diese die übrigen Metalle in jener Polarität übertreffen müfste.

34. An allen Metallen zeigt sich eine Abnahme der die Oscillationen der Magnetnadel vermindernden Wirkung, wenn sie schmäler gemacht werden. Eine viel beträchtlichere Abnahme jener Wirkung als bei den übrigen Metallen findet, unter gleicher Bedingung, bei'm Eisen statt, weil es, in schmalen Streifen, von N. nach S. liegend, durch die Einwirkung des Erdmagnetismus eine starke Polarität annimmt, welche dann repellirend auf die Magnetnadel wirkt.

35. Ein 7 Linien breiter und 8 Zoll langer, gänzlich unpolarer Strei- fen von demselben Eisenblech, über welchem die 2} Zoll lange Magnet- nadel in dem 8.17 angeführten Versuch nur 6 Schwingungen vollbracht hatte, verminderte die Zahl der Oseillationen derselben Magnetnadel unter übrigens gleichen Umständen so wenig, dafs sie nun noch 98 Schwingungen machte. Über einem Kupferstreifen von denselben Dimensionen machte diese Magnetnadel nur 50 Schwingungen; ein Beweis einerseits von der Ver- mehrung der Öscillationen durch die vom Erdmagnetismus in dem Eisen- blechstreifen gesetzten Polarität, anderseits aber auch von der geringen Wirkung dieses Magnetismus auf den Kupferstreifen, woraus zu schliefsen ist, dafs er auch auf den gröfsten Theil der übrigen Metalle keinen bedeu- tenden störenden Einflufs gehabt haben könne (*).

36. In mehr als einer Beziehung wichtig war es, nun auch das Ver- halten der Metalle, welche durch Vertheilung einen beträchtlichen Grad des Magnetismus annehmen, wie Eisen, Nickel und Kobalt in ihrer Ver- bindung mit solchen Metallen zu untersuchen, welche jenes Vermögen zu schwächen im Stande sind. Zu diesen zählt man das Antimon, welches nach der Angabe von Gellert und Rinmann eine beträchtliche Menge von

(*) Hierzu Zusatz III. am Ende der Abhandlung.

54 Serszeexk: Fon dem ın allen Metallen

Eisen enthalten kann, ohne dadurch einer magnetischen Polarisation fähig zu werden.

Durch einen Versuch, welcher mit einem Alliage von 4 Theilen An- timon und 1 Theil Eisen angestellt wurde, wurde dies nicht nur bestätigt, sondern es ergab sich aus demselben das merkwürdige Resultat, dafs beide Metalle dieser Verbindung in einander gegenseitig das Vermögen, durch Vertheilung magnetisch zu werden, bis zu dem Grade schwächen, dafs es als Null angesehen werden kann. Denn eine Magnetnadel, welche über einer 36 DZoll grofsen und 2 Linien dieken Scheibe von Antimon Metall, wie es im Handel vorkommt, in 90 Schwingungen von 45-10° gekommen war, machte über einer Scheibe von jenem Alliage aus Antimon und Eisen (welche der vorigen im Volumen gleich war), 116 Schwingungen ; d.i. genau so viel als sie frei, und nur über einer dünnen Papierscheibe schwebend, machte.

37. Eine ähnliche Wirkung wie in der Verbindung mit Eisen zeigte das Antimon auch in der Verbindung mit Kupfer. Über einer 5 Linien dicken Stange eines Alliages von 3 Theilen Kupfer mit 1 Theil Antimon vollbrachte eine Magnetnadel genau so viel Schwingungen, als für sich, ohne metallische Unterlage.

Alliagen von gleichen Theilen Kupfer und Antimon, und von 4 Theil Kupfer mit 3 Theilen Antimon bewirkten dagegen wieder eine Verminderung der Weite der Schwingungsbogen der Magnetnadel. Über einer 5 Linien dieken Stange des ersteren machte die Nadel 96 Schwingun- gen, und über einer Stange des letztern 100 Schwingungen.

38. Auch durch Zusatz von Wismuth wird das magnetische Polari- sationsvermögen des Kupfers vermindert, und zwar, wie folgende Versuche zeigen, in demselben Verhältnisse, wie die Menge des Wismuths zunimmt.

Über 5 Linien dicken und 10 Zoll langen Stangen von Alliagen

aus 3 Th. Kupfer mit 1 Th. Wismuth macht die Nadel 94 Schwing. 1 Kupfer 1 Wismuth = 10. 1 Kupfer 3 Wismuth no 104°

39. Wie Antimon und Eisen, so zerstören auch Kupfer und Nickel wechselseitig in einander die Empfänglichkeit für den Magnetismus, wie Lampadius entdeckt hat. Ein unmittelbar unter der Magnetnadel lie- gender 1 Fufs langer, 7 Linien breiter und Linie dicker Blechstreifen

durch Vertheilung zu erregenden Magnetismus. 85

von einem Alliage aus 2 Theilen Kupfer und 1 Theil Nickel bewirkte nicht die geringste Verminderung in der Weite der Oscillationsbogen; ob- wohl ein Streifen Kupferblech, von gleichen Dimensionen mit jenem, diese Nadel, welche für sich 116 Schwingungen machte, auf 49 herab- brachte (*).

40. Überall, wo man es nöthig finden könnte, sehr bewegliche und lange oscillirende Magnetnadeln anzuwenden, hat man sich also der Nickelnadeln zu bedienen, und diese in Kapseln von Holz oder von einem aus Kupfer und Nickel bestehenden Alliage einzuschliefsen ; dort aber, wo man Magnetnadeln braucht, welche sich schnell in den magne- tischen Meridian stellen, da wird man stark magnetische Stahlnadeln an- wenden und diese in kupfernen Kapseln mit dickem Boden einschliefsen

müssen.

Te

I. (Zu $. 30.).

Später angestellte Versuche mit Eisenfeilspänen, welche in verschiedener Dicke in Pappschachteln aufgehäuft waren, gaben ähnliche Resultate.

Eine Magnetnadel, welche in einer Höhe von ungefähr 3 Linien 116 Schwingungen von 45-10° machte, vollbrachte

1. Ueber einer + Linie dicken Schicht von Eisenfeilspänen, welche mit einer Linie dicken Pappscheibe bedeckt war, 63 Schwingungen;

2. Ueber einer 1 Linie dicken Schicht Eisenfeilspäne 35 Schwingungen ;

3. Ueber einer 9 Linie dicken Schicht derselben Späne 29 Schwingungen von 45-10°.

Diese Magnetnadel erregte also einen um so stärkeren Magnetismus durch Verthei- lung in dem unter ihr liegenden Eisen, je gröfser die Masse desselben war, wodurch denn auch die Zahl der Schwingungen vermindert werden mufste, da die von allen Theilen der Nadel in der Eisenfeile erregten vorübergehenden oder veränderlichen entgegengesetzten Pole anziehend, und also die Bewegung der Nadel hemmend wirken mufsten.

4. Dieselbe Magnetnadel in derselben Höhe über einer 9 Linien dicken Schicht von Dreh- spänen einer Legirung von Kupfer mit 3 Procent Eisen machte 97 Schwingungen, und

(*) Hierzu Zusatz IV. am Ende der Abhandlung.

86 Serseck: Fon dem in allen Metallen

5. Ueber einer 9 Linien dicken Schicht von Drehspänen einer Legirung von Mes- sing mit 5 Procent Eisen machte sie 87 Schwingungen von 45 -10°.

6. Wurde diese Magnetnadel in der vorigen Höhe von ungefähr 32 Linie über einer 9 Linien dicken Schicht von angeblich reinen Kupfer-Drehspänen gestellt, so vollbrachte sie 116 Schwingungen von 45-10°; also eben so viel als für sich und ohne diese Unterlage.

7. Als aber dieMagnetnadel der Kompafsrose bis aufl5 Linie Abstand genähert wurde, so bewirkte diese Masse von Kupfer-Drehspänen schon eine Verminderung der Schwin- gungen; die Zahl derselben betrug nun von 45-10° nur noch 107-108. Wäre ein stärkerer Magnet statt jener Nadel angewendet worden, so würde die Differenz in der Zahl der Schwin- gungen über diesen Spänen und ohne dieselben verhältnifsmäfsig gröfser ausgefallen seyn.

Alle hier angeführte Thatsachen scheinen mir die 8.30. dieser Abhandlung gegebene Erklärung von der Hemmung, welche Magnetnadeln und Magnetstäbe über ruhenden Metallscheiben erleiden, vollkommen zu bestätigen. Wir ersehen hieraus zugleich, dafs das Vermögen der Metalle, durch Vertheilung eine magnetische Polarität anzunehmen, viel gröfser ist, wenn sie eine feste Masse bilden, als wenn sie fein zertheilt sind. Wenn nun dies Vermögen in einem Metall, welches dasselbe in so hohem Grade besitzt, wie das Eisen, schon so beträchtlich durch den aufgehobenen Zusammenhang und durch feine Zertheilung vermindert ist, wie aus der Vergleichung dieser Versuche mit den übrigen in dieser Abhand- lung angeführten Versuchen mit Eisenblechen hervorgeht, so kann es nicht befremden, die hemmende Wirkung der Kupfer-Drehspäne im sechsten Versuch dieser Note Null zu fin- den. Aus Versuch 7 ersehen wir aber zugleich, dafs dem Kupfer selbst dann, wenn es sich in der ungünstigsten Form, d.h. in mehr oder weniger fein zertheiltem Zustande befin- det, das Vermögen durch Vertheilung magnetisirt zu werden, niemals ganz fehlt. Wie wichtig der vollkommene Zusammenhang der Metallmassen in Beziehung auf die Einwir- kung derselben auf die schwingende Magnetnadel, folglich auch, nach unserer Ansicht, auf das magnetische Polarisationsvermögen der den Magneten genäherten Metalle ist, haben uns auch Herschel’s d. Jüng. interessante Versuche mit Kupferscheiben, in welche einige Einschnitte gemacht waren, gelehrt; denn schon bedeutend war hierdurch die Wir- kung dieser Scheiben auf die oscillirende Magnetnadel verringert.

Aus dem vierten und fünften Versuch dieser Note geht hervor, dafs die magnetische Polarisation des Kupfers und Messings um so gröfser ist, je mehr Eisen sie enthalten, und man könnte hierdurch veranlafst werden zu fragen, ob nicht vielleicht die Metalle überhaupt erstdurcheinen, wenn auch nur geringen Gehaltvon Eisen dasVermögen erlangen, magneti- sche Pole durch Vertheilung anzunehmen? Es ist nicht zu läugnen, dafsin vielen Fällen der Eisengehalt der Metalle ihre Capacität für den Magnetismus vermehre ; dafs er sie aber erst erzeuge, kann keinesweges als allgemein geltend angenommen werden. Aus den $.36 angeführten Beobachtungen ersehen wir, dafs das Eisen selbst sein Vermögen magnetisch zu werden in Alliagen verliert, in denen es in beträchtlicher Menge vorhanden ist, oder dafs wenigstens seine Capacität für den Magnetismus durch Zusatz von andern Metallen in hohem Grade vermindert wird. Auch wissen wir ja längst, dafs andere, und dazu für sich des Magnetismus nicht fähige, oder doch im schwächsten Grad fähige Körper, wie die Kohle, dem Eisen das Vermögen ertheilen, den in ihm durch Vertheilung erregten Magnetismus fester zu binden, danernder zu machen; eine Erfahrung, welche wohl die Frage veranlassen könnte, ob nicht der Magnetismus im Eisen selbst erst bedingt sey durch die Gegenwart

durch Ferthellung zu erregenden Magnetismus. 87

eines andern mit ihm verbundenen Körpers? Ohne ein grofses Gewicht darauf zu legen, will ich nur an diese schon mehrmals aufgeworfene Frage, welche aher noch immer unbeant- wortet geblieben, erinnern. Man hat ferner im Nickel, welches mit ler gröfsten Sorg- falt bereitet worden, und welches einen starken Magnetismus durch Vertheilung annahm, nicht eine Spur von Eisen entdecken können. Und die $. 39. angeführten Thatsachen belehren uns, dafs das Vermögen des Nickels zur magnetischen Polarisation durch ein anderes Metall, als beim Eisen (laut 8.36.) erforderlich ist, geschwächt und bei einem bestimmten Mischungsverhältnifs desselben zum Nickel aufgehoben werden kann, näm- lich dem Kupfer, welches das magnetische Polorisationsvermögen des Eisens nicht auf- hebt, und in welchem das eigene Polarisationsvermögen noch durchZusatz von Eisen, oder Vermehrung seines ursprünglichen Eisengehalts, verstärkt wird.

Alle diese Thatsachen sprechen entschieden gegen die Hypothese, der zu Folge der Magnetismus der Körper lediglich einem Eisengehalt derselben zugeschrieben wird. Zugleich scheinen mir aber auch die hier mitgetheilten Erfahrungen anzudeuten, dafs wenn es Metall- verbindungen giebt, welche gegenseitig das Vermögen zur magnetischen Polarisation durch Vertheilung in einander schwächen, und in bestimmten Mischungsverhältnissen sogar ver- nichten, in andern Metallverbindungen ebensowohl das Gegentheil hiervon statt finden könne, nämlich Verstärkung dieses Vermögens durch gegenseitige Einwirkung der Metalle auf einander. Zur Aufklärung hierüber möchten wohl zunächst Versuche mit Alliagen von Metallen, welche eines dauernden Magnetismus fähig sind, mit andern, in dieser Bezie- hung schwächeren Metallen nothwendig seyn, z. B. mit Alliagen von Kupfer und Eisen, von Platina mit Nickel, Gold mit Nickel, von Platina mit Eisen und nicht min- der mit Alliageu von Kupfer mit Platinau.s.w. Das Eisen gehört zwar zu denjeni- gen Metallen, welche sich in gröfserer Menge nur mit wenigen andern Metallen verbinden, in geringer Menge geht aber das Eisen fast mit allen sehr innige und gleichförmige Ver- bindungen ein, und es ist zu erwarten, dafs ein sehr geringer Antheil von Eisen in den dichteren Metallen, z.B. im Kupfer und im Golde u.s. w. den Magnetismus bedeutend erhöhen werde. Von dem Quantitätsverhältnifs dieser Körper abhängige Wendepunkte, Maxima und Minima, werden hier ohne Zweifel auch vorkommen. Die Aufmerksamkeit der Experimentatoren wird aber bei diesen Versuchen nicht allein auf die Quantitätsver- hältnisse, sondern auch auf die Art der Verbindung der Körper, und die äufseren Bedingun- gen, unter denen sie erfolgt, gerichtet seyn müssen u. s.w.

Beiläufig bemerke ich noch, dafs ich nach meinen bisherigen Erfahrungen über das mag- netische Verhalten der Eisenfeilspäne schliefsen mufs, dafs Scheiben von diesen, statt der von Herrn Barlow erfundenen Correetionsscheiben von massivem Eisen (um den stö- renden Einflufs des übrigen Eisens auf den Schiffen abzuwenden), nicht nur angewendet werden können, sondern dafs jene vor diesen in einer Beziehung noch den Vorzug verdienen möchten. Scheiben von Eisenfeilspänen nehmen zwar eine schwächere magnetische Polari- tät durch die Stellung (d.h. durch Einwirkung des Erdmagnetismus) an, sie behalten ihn aber bei weitem nicht so lange als massive Eisenscheiben, welche schon durch Stellung, und wenn sie sich einige Zeit in der Nähe von Magneten befinden, feste Pole annehmen, welche nicht immer so leicht oder so bald aufzuheben sind, als bei weiterer Anwendung derselben wohl nöthig seyn möchte. Die Verfertigung gleichförmiger Scheiben von Eisen- feile hat ihre Schwierigkeiten, doch glaube ich, dafs ein geschickter Künstler diese wird

s8 SersEcK: Jon dem ın allen Metallen

überwinden können. Am zweckmäfsigsten möchte es seyn, die Eisenfeilspäne mit einem nicht zu weichen harzigen Kitt zu vermischen, diesen gut durchzukneten, und ihn in eine flache kupferne Schale einzuschliefsen.

D. (Zu $. 31.)

Die Zahl der Pendelschwingungen und die Weite der Bogen einer an einem Faden hängenden Magnetnadel nimmt, wenn diese über Metallplatten horizontal schwebt, schneller ab, die Nadelkommt auch als Pendel früher zur Ruhe, als wenn sie frei für sich oder über Papier, Marmor oder Holz, in derVertikalebene in kleinen Bogen schwingt. Die Pendel- schwingungen einer solchen Magnetnadel sind aber, bei gleicher Länge des Fadens und der Schwingungsbogen in beiden Fällen ebensowohl isochronisch, wie dieSchwingungen der Nadel in der Horizontalebene , wie aus folgenden später angestellten Versuchen zu ersehen ist. Ein Magnetstäbchen von 41-Zoll Länge, Zoll Breite und 4 Zoll Dicke, welches stark mag- netisch war, und an einem Seidenfaden in einer 221 Zoll hohen Glasglocke hing, machte über einer horizontal gestellten Marmorplatte, von welcher beide Pole des Magnetstabes ungefähr 24 Linie entfernt waren, 100 Pendelschläge in der magnetischen Äquatorialebene, wobei der Magnetstab innmer im magnetischen Meridian gerichtet blieb, nach dem Mittel aus mehreren Versuchen in Zeit von 1 Minute 11 Secunden 55 Tertien.: Dasselbe Magnet- stäbchen über 3runden Kupferscheiben, welche 10 Zoll im Durchmesser halten, und zusammen 6+ Linie dick waren, zugleich aber auch zwischen 2 vertikal gestellten Kupfer- massen von 25 Zoll Fläche und 8 Linien Dicke so gestellt, dafs die Pole desselben sowohl von den horizontalen als ven den vertikalen Kupfermassen ungefähr 24 Linie abstanden, machte 100 Pendelschläge in der magnetischen Aquatorialebene, nach dem Mittel aus meh- reren Versuchen in 1 Minute 12 Secunden 1 Tertie. Diese Versuche wurden unmittelbar nach einander und bei gleicher Temperatur angestellt. Schon nach 150 Schwingungen befand sich der Magnetstab im letzteren Fall in Ruhe, da er im ersteren Fall über 900 Schw in- gungen machte, ehe er dem blofsen Auge zu ruhen schien. Hieraus ergiebt sich also, dafs die Pendelschwingungen eines Magnetstabes durch Metallmassen in der Nähe desselben eben so gehemmt werden, als wenn eine dichtere Luft denselben umgeben hätte, oder als wenn das Gewicht des Stabes vermindert worden wäre. Eine Kupfermasse, über oder zwischen den Polen von Magneten pendelförmig schwingend, wird also ebenfalls früher eine Verminderung der Weite ihrer Oscillationsbogen erleiden, als eine frei schwebende Kupfermasse. Ferner wird von den metallischen Körpern ein Pendel von Quecksilber am wenigsten durch Magnete gehemmt werden, und ein Pendel von Holz, mit einem Ge- wicht von eisenfreiem weifsen Marmor oder von reinem Kieselglase wird durch Magnete (und durch den Magnetismus der Erde?) gar nicht gehemmt werden u. s. w.

IH. (Zu $. 35.)

Noch überzeugender als die $. 35. am Ende angeführten Thatsachen, sind folgende später angestellte Versuche.

Ein Eisenblech (ein halbes Sägeblatt), von 2 Fufs 74 Zoll Länge, 44 Zoll Breite und 5 Linie Dicke, welches durch Stellung in der magnetischen Inclinationsebene magne- tisch geworden war, auf einer horizontalen Marmorplatte in dem magnetischen Meridian so gelegt, dafs der s. Pol (+ m.) des Eisenblechs gegen S. (—M.) und der rn. Pol

durch Ferthelung zu erregenden Magnetismus. 89

(— m.) desselben gegen N. (+ M.) gerichtet war. Die Boussole, welche aus einem 10 Zoll hohen Glascylinder bestand, welcher oben mit einem hölzernen Deckel, und unten mit einer Compafsrose von Papier verschlossen war, über welcher die 24 Zoll lange Magnetnadel, deren Pole beträchtlich stärker als die des Eisenblechs waren, in einer Höhe von 2+ Linie horizon- tal an einem Coconfaden schwebte, wurde auf einer Unterlage von einigen Pappscheiben mit ihrem Mittelpunkt über der magnetischen Mitte des Eisenblechs (oder doch der magnetischen Mitte desselben so nahe als möglich), gestellt, indem zugleich darauf gesehen wurde, dafs die Magnetnadel vor dem Anfang des Versuchs, eben so wie das Eisenblech, im magnetischen Meridian stand. Diese Nadel, welche für sich, und ohne irgend eine andere Unterlage als die Compafsrose, 104 Schwingungen von 45-10° gemacht hatte, durchlief in einer Höhe von 7% Linie über der obern Fläche des Eisenblechs denselben Raum in 34 Schwin- gungen; in einer Höhe von 5 Linien über dem Blech in 17-18 Schwingungen, und in einer Höhe von 4 Linien in 8 Schwingungen.

2. Als das Eisenblech umgewendet wurde, so dafs es mit seinem n. Pol (—m.) gegen S. (— 7.) und mit seinem s. Pol (+ m.) gegen N. (+ 7.) lag, so machte jene Magnetnadel «) im einer Höhe von 7% Linie über dem Eisenblech (und über der magnetischen Mitte dessel- ben) 98-99 Schwingungen; 2) in einer Höhe von 5 Linien 64, und %) in einer Höhe von 4 Linien 44-45 Schwingungen.

Aus diesen Versuchen geht hervor, dafs das Eisen die Weite der Schwingungsbogen und damit auch die Zahl der Schwingungen einer Magnetnadel, welche hinlänglich stark polar ist, jederzeit, und selbst dann noch vermindert, wenn das Eisen ziemlich starke magnetische Pole hat, dafs aber das Vermögen des Eisens, die Bogenweite der oscillirenden Magnetnadel zu vermindern, immer durch die feste oder veränderliche Polarität desselben gestört oder geschwächt wird, und dies um so mehr, je stärker die Polarität des unter der Nadel liegenden Eisens ist, wie sich aus der Vergleichung der hier beschriebenen drei ersten Versuche mit dem oben 8.17. angeführten Versuch, mit dem 49 QZoll grofsen unmagneti- schen Eisenblech ergiebt, da diese durch die Einwirkung des Erdmagnetismus in ihrer hori- zontalen Lage, während der kurzen Dauer des Versuchs, und dazu durch ihre Form begünstigt, nur eine schwache Polarität annehmen konnte, bestimmt eine viel schwächere, als das bei den letzten Versuchen angewendete lange Eisenblech, welches dadurch, dafs es mehrere Mo- nate in der magnetischen Inclinationsebene gestanden hatte, eine nicht unbeträchtliche feste Polarität angenommen hatte. Hieraus folgt, dafs das Vermögen die Weite der Schwin- gungsbogen der Magnetnadeln zu vermindern, in allen Metallen, welche eine feste magne- tische Polarität anzunehmen im Stande sind, (wie Eisen, Kobalt und Nickel), immer mehr oder weniger geschwächt seyn wird, und zwar, wenn sie nur durch Einwirkung des Erd- magnetismus eine Polarität erhalten, im Verhältnifs ihrer Capacität zum Magnetismus.

Bei Metallen, welche schon eine feste Polarität besitzen, hängt der Erfolg theils von der Form derselben, theils von dem Verhältnifs ihrer Polarität zu der der Magnetnadel ab, so wie auch von dem Orte, an welchem sich die Nadel über diesen magnetischen Unterlagen befindet. Nur dadurch, dafs das in den letzten Versuchen angewendete Eisenblech eine mäfsig starke Po- larität und eine beträchtliche Länge haite, wodurch dessen Pole weit von der Nadel entfernt waren, und dadurch, dafs es breit genug war, so dafs die Nadel in der ganzen Weite ihrer Schwingungsbogen von 90° über dem Blech blieb, und dazu über Theilen desselben, in denen der Magnetismus amschwächsten war, konnten die Erscheinungen eintreten, welche oben ange-

Phys. Klasse. 1825. M

90 SEEBEcK: Fon dem in allen Metallen

geben worden, nämlich dafs die die Oscillationen der Nadel hemmende Wirkung bei zuneh- mender Annäherung desselben, bis zu 4 Linien Abstand vom Eisenblech, ungeachtet des störenden Einflusses der Pole desselben, dennoch bedeutend zunahm; ferner, dafs die Ungleich- heit in der Störung, bei der entgegengesetzten Lage der Pole des Eisenblechs gegen die in Beziehung auf die Erdpole in unveränderter Richtung sich erhaltenden Pole der Magnet- nadel, nachgewiesen werden konnte.

In beiden, in diesem Zusatz unter 1. und 2. angeführten Fällen wirkte die Polarität des Eisenblechs auf die Bogenweite der oscillirenden Nadel störend ein, doch in verschiedenem Grade, so wie auf verschiedene Weise. Im ersten Falle nämlich, wo die gleichnamigen Pole der Magnetnadel und des Eisenblechs einander zugekehrt, und zugleich gegen die ungleich- namigen Pole der Erde gerichtet waren, wurde die hemmende Wirkung des Eisenblechs durch die Repulsion seiner Pole vermindert; in dem zweiten Falle dagegen, wo die ungleich- namigen Pole der Magnetnadel und des Eisenblechs einander zugekehrt waren, wirkten die Pole des letzteren in gleichem Sinne mit den Polen der Erde; diedie Magnetnadel richtende Kraft war also hier vermehrt, wodurch denn auch ihre Bewegung beschleunigt werden mufste. Die Schwingungen der Nadel können mithin auch in den beiden angeführten Fäl- len nicht isochronisch seyn, wie leicht einzusehen.

Ich kann nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dafs Coulombs Versuche mit eisenhaltigen Silbernadeln und mit Nadeln von Wachs, welche Eisenfeilspäne in verschiedener Quantität enthielten, den Resultaten, welche ich mit Magnet- nadeln, welche über Eisenfeilspänen und über Legirungen von Kupfer mit Eisen und von Messing mit Eisen erhielt, in vollkommener Uebereinstimmung sind, und dafs also auch jene Versuche Goulombs für die hier gegebene Erklärung jener Erscheinungen sprechen. Denn Coulomb fand an jenen Körpern die Zahl der gleichzeitig vollbrachten Schwingungen um so gröfser, je mehr Eisen sie enthielten. Je mehr Eisen sie enthielten, desto stärker mufste also auch die richtende Kraft der Magnetstäbe, zwischen deren Polen sie schwebten, auf diesel- ben wirken, folglich die Zahl der von ihnen in gleichen Zeiten zu vollbringenden Schwingun- gen vermehrt werden. Eben diese Körper vermindern aber auch die Weite der Schwingungsbo- gen der über ihnen befindlichen Magnetnadeln um so mehr, je mehr Eisen sie enthalten. Cou- lombs Versuche mit Nadeln von Gold, Kupfer und Silber stimmen in ihren Resultaten mit denen, welche ich mit Platten von diesen Metallen erhalten habe (s. 8.18.), gleichfalls überein. Coulombs Nadeln von Gold und Kupfer machten in gleicher Zeit ziemlich dieselbe Zahl von Schwingungen, aber eine geringere Zalıl als die Nadeln von Silber; das Silber wurde also stärker magnetisch als jene beiden Metalle. Eben so verhielt sich das Sil- ber in unsern Versuchen, wo sich sein stärkerer Magnetismus aus der Verminderung der Weite der Schwingungsbogen ergab. Abweichend von den 8. 18. angegebenen Resultaten ver- hielten sich blos Coulombs Nadeln von Zinn und Blei, in welchen das Vermögen zu einer vorübergehenden magnetischen Polarisation gröfser war als im Kupfer und Silber. Solche Verschiedenheiten in den Resultaten können jetzt um so weniger auffallen, da man aus den hier mitgetheilten Beobachtungen ersehen hat, wie leicht diese durch fremdartige Bei- mischung auf mehr als einem Wege entstehen können. Immer werden Versuche mit Mag- netnadeln, und besonders mit Magnetstäben, welche nahe über ruhenden Metallplatten schwingen, entscheidendere Resultate über den Grad der Empfänglichkeit der Metalle für den Magnetismus geben, als Versuche mit kleinen Nadeln von diesen Metallen, welche zwi-

durch Fertheiung zu erregenden Magnetismus. 9

schen den Polen von zwei Magnetstäben oscilliren, da dort alle Theile der Magnetstäbe, ihrer ganzen Länge nach, auf die zu untersuchenden Metalle, im letzteren Falle aber nur die Enden der Magnetstäbe auf kleine Massen derselben wirken. Die Metalle, welche keines bleibenden Magnetismus fähig sind, nehmen hier nur eine höchst schwache vorübergehende magnetische Folarität an, und es haben deshalb Coulombs Versuche selbst manchen geübten Experimentatoren nicht gelingen wollen. (s. T. Youngs Course of Lectures on Natural Philosophy, Vol.1l. p.439.).

IV. (Zu 8. 39.)

Versuche, welche späterhin mit Platten von einigen andern Metalllegirungen ange- stellt wurden, gaben folgende Resultate: .

Eine 2‘, Zoll lange Magnetnadel, welche für sich und über einer in Grade getheilten Scheibe von dünnem Kartenpapier von 45-10° Decl. 116 Schwingungen machte, voll- brachte

1. über einer 4Linien dicken und 3% Zoll im Durchmesser haltenden Platte aus einer Legirung von 3 Theilen Kupfer und 1 Theile Antimon 105-106 Schwingungen;

2. übereinerScheibe von Packfong, welche von Hrn. v. Gersdorf in Wien berei- tet war, 2% Zoll im Durchmesser und 3% Linien Dicke hatte, 104-105 Schwingungen;

3. über einer Legirung von 18 Theilen Kupfer, 2 Theilen Antimon und 1 Theil Zink, deren Durchmesser 3% Zoll und die Dicke 4 Linien betrug, 81 Schwingungen;

4. über einer Scheibe von Glockengut, welche aus 5 Theilen Kupfer und 1 Theil Zinn bestand, 3 Zoll im Durchmesser hatte, und 3‘, Linien dick war, erfolgten 82 Schwin-

gungen.

V. (Zu $. 40.)

Wichtiger noch als die Anwendung zu Boussolen, würde die Benutzung der 8.39. angeführten Legirung von Kupfer mit Nickel zu Pendeln seyn. Für die Erregung des Magnetismus durch Vertheilung unempfänglich, würde sie besonders zu den Unter- suchungen über die beschleunigende Kraft der Schwere allen andern bisher angewandten Metallcompositionen, namentlich auch dem Messing, vorzuziehen seyn, da bei ihrer An- wendung der hier so nachtheilige und so schwierig zu ermittelnde Einflufs des Erdmagne- tismus vermieden wird, und da jene Kupfer- und Nickel-Legirung dehnbar ist, sich also auch gezogene Stäbe aus derselben verfertigen lassen, welche wegen der gleichför- migeren Dichtigkeit der Masse immer den gegossenen Stangen vorzuziehen sind. Der meiste im Handel vorkommende Messing enthält Eisen, und auch der Zink, dessen man sich zur Bereitung eines Messings zu solchen Apparaten bedienen möchte, enthält gewöhnlich Eisen. Durch einen Zusatz von einer geringen Menge Antimonium-Me- talls könnte man zwar die Capacität des Eisens für den Magnetismus aufheben, doch schwer- lich ohne Nachtheil für die Ductilität des Messings. Indessen auch eisenfreier Messing wird immer eine Empfänglichkeit für den Magnetismus behalten, welche, wie schwach sie auch sey, bei den genannten Untersuchungen, wenn es um die höchste Genauigkeit zu thun ist, wohl nicht unberücksichtigt bleiben darf. Zu den rostförmigen Pendeln würde die Kupfer- und Nickel-Legirung gleichfalls allen andern Metallen vorzu- ziehen seyn, wo sie mit Quecksilber -Säulen verbunden werden müfste. Vergleichende

M2

92 Serseck: Ton dem in allen Metallen u.s.w.

Versuche mit zwei Pendeln, einem von der genannten Kupfer- und Nickel-Legi- rung, und einem von reinem unmagnetischen Eisen, möchten in mehr als einer Bezie- hung zu empfehlen seyn, z.B, schon als Controlle zu den mit Inclinationsnadeln angestell- ten Untersuchungen über die Variationen, welche in der Intensität des Magnetismus zu gleichen Zeiten an verschiedenen Orten, und in verschiedenen Zeiten an einem und demsel- ben Orte statt finden, u. s. w.

YL

Eine Beobachtung, welche ich so eben gemacht habe, finde hier noch eine Stelle. Ein Blechstreifen von chemisch-reinem Silber, welches aus Chlorsilber mit Sorgfalt reducirt worden war, hatte sich bei Untersuchungen, welche ich im May 1827 anstellte, von aller übrigen Silber darin unterschieden, dafs es zwischen sehr starken Magnetstäben keine feste Stellung annahm (*). Eine 24 Zoll lange Magnetnadel, welche für sich 98-100 Schwingungen von 45-10° machte, wurde jetzt in einer Höhe von 2 Linien über drei neben einander liegen- den, doch an den Rändern einander bedeckenden Streifen dieses Silbers, welche zusammen eine Fläche von 3 Zoll Länge und 13 Zoll Breite bildeten, gestellt. Die Zahl der Schwingun- gen, welche die Nadel hier von 45-10° machte, betrug 94-95; sie war also um 4-6 vermin- dert. Dieses Silber wäre demnach in der 8. 18. angeführten Metallreihe hoch oben, und nahe unter dem Wismuth zu stellen. Das in jener Reihe unter dem Kupfer stehende Sil- ber war durch Abtreiben mit Blei gewonnen worden. Man könnte fragen, ob das aus Chlor- silber redueirte Silber auch wirklich ganz rein und frei von Eisen gewesen sey? Durch die chemische Analyse hat kein Eisen darin entdeckt werden können. Enthielte es jedoch wirklich noch eine geringe Quantität Eisen, so würde diese Erfahrung als eine Bestäti- gung der in Zusatz I. aufgestellten Hypothese, dafs einige Metalle in der Verbindung mit einander gegenseitig ihr Vermögen, eine magnetische Polarisation anzunehmen, vorzugs- weise verstärken, wie andere sich hierin gegenseitig schwächen, anzuschen seyn. Denn die Quantität des Eisens, welche in diesem Silber vorhanden seyn könnte, wird der Ana- lyse zu Folge nur als höchst gering angenommen werden können, und würde sicher in der Ver- bindung mit manchen andern Metallen, welche auch zu denen gehören, deren Magnetismus durch Eisengehalt verstärkt wird, durch das hier angewendete Verfahren nicht zu entdecken seyn. Aus diesem Versuch geht ferner aufs deutlichste hervor, wie sehr das von Hrn. Arago entdeckte Verfahren bei Untersuchungen über die Empfanglichkeit der Körper für den Mag- netismus durch Vertheilung vor jedem andern den Vorzug verdient. (1828. Januar.)

(*) s. Poggendorf’s Annalen der Physik und Chemie. 1827. St. 6. $.210.

(Eine Fortsetzung dieser Untersuchungen mit Beziehung auf die neueren Entdeckungen Arago's wird in einem der folgenden Bände der Denkschriften der Königlichen Akademie erscheinen).

Einige Bemerkungen uber Quellen -Temperatur.

Von

Hm- yon BUCH.

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften d. 3. März 1825.]

BE; ist eine schöne Anordnung in der Öconomie der Natur, deren Ent- deckung wir Herrn Wahlenberg verdanken, dafs die Wärme des Bodens die mittlere Temperatur der Luft um so mehr übertrifft, je weiter man gegen Norden heraufgeht. Denn dadurch werden polarischen Gegenden eine Menge Gewächse erhalten, welche sonst untergehen müfsten, ja es wird das Leben selbst in Gegenden gebracht, welche sonst ganz todt und dürr und von allem Lebendigen geflohen seyn würden. Wer kann sich Anbau und Cultur denken, in einem Boden, dessen Temperatur 1 oder 2 Grade unter dem Gefrierpuncte steht? Nicht höher ist aber die Temperatur der Luft in Gegenden, in welchen Städte liegen, und Kombau mit Regsamkeit und Vortheil getrieben wird. Es ist die Temperatur eines grofsen Theiles von Sibirien, von Finnland im oberen Theile und von mehreren bewohnten Thä- lern in Schweden.

Die Wahlenbergischen Beobachtungen, aus denen ein so merkwür- diges Resultat hervorgeht, sind von mir in Gilbert’s Annalen bekannt gemacht, in eine Tabelle gebracht und mit der Luft-Temperatur verglichen worden. Aus diesen hebe ich folgende vier Angaben aus, welche die Natur der Erscheinung vollkommen darstellen werden.

Quellen-Temp. Luft-Temp. Differenz. ln ni

In Carlscrona.........56,- Grad 6,5R. 63 R. 0,5 - Upsalacceereoseee.n.60 - 5,2 - 445- 0,75 EUmed...s6ssue DB 0,061 47 - Giworten fiäll....66 - 0,96- —3-- 3,96 (Enontekis).

(1600 Fuls über dem Meere).

Wahlenberg sucht die Ursache dieser Erscheinung in der beschützen- den Schneedecke, durch welche, vermöge ihrer geringen wärmeleitenden

94 Bvcnuh

Kraft, die Winterkälte abgehalten werde, in den Boden zu dringen, und auch andere haben diese Meinung vorgetragen. Sie beruht auf der falschen Vor- aussetzung, dafs die Luftwärme in den Boden, durch Mittheilung in der Masse selbst, welche diesen bildet, eindringe. Wie langsam eine solche Vertheilung geschehe, wie sie, um 30 Fufs zu durchlaufen, schon sechs Monate Zeit brauche, haben Saussure’s Beobachtungen gelehrt, und die, welche später in Genf während zehn Jahren in einem Brunnen angestellt worden sind, welche stets das Minimum zeigten, wenn oben die gröfste Wärme herrschte, das Maximum zur Zeit der gröfsten Kälte. Schwerlich würde die Schneedecke zureichen, um bei ihrer langen Dauer während so vieler Monate das Ausstrahlen der Wärme des Bodens zu verhindern. Da überdiefs der Einflufs zweier ungleich erwärmter Körper auf einander immer geger- seitig ist, so folgt, dafs im Laufe der Jahre auch die beste wärmehaltende Decke nicht verhindern könne, dafs der Boden die mittlere Temperatur der Luft nicht annehme.

Es würde auch um so weniger begreiflich seyn, wie nördlichere Ge- genden mehr für solches Ausstrahlen beschützt werden, als südliche, da die Menge des fallenden Schnees sich mit der Zunahme der Breite bedeutend vermindert, daher die Schneedecke weniger hoch ist. Man sieht mit eini- ger Befremdung, dafs auch der berühmte Leslie an diese Mittheilung der Temperatur durch den Boden glaubt, eben weil es eine nothwendige und mathematisch zu beweisende Folge der Gesetze der Wärme ist. Er bemüht sich deshalb vergebens, Beobachtungen, welche Ferguson mit Thermome- tern in verschiedenen Tiefen des Bodens angestellt hat, auf ein gemein- schaftliches, von der Wärme der Atmosphäre abhängiges Vertheilungsgesetz zu bringen.

Es scheint daher nothwendig, zu wiederhohlen, wie dieses Gesetz von einem schneller wirkenden modifieirt und gänzlich versteckt wird, wie nämlich diese Vertheilung fast nur allein von dem Eindringen der atmos- phärischen Wässer abhängen könne, durch welche die Temperatur so schnell durch den Boden und in die Tiefe verbreitet wird, dafs die unmit- telbare Einwirkung durch Mittheilung sehr bald und in weniger Tiefe über- wogen und völlig unkenntlich gemacht werden mufs. Deswegen aber wirkt die grofse Winterkälte des Nordens so wenig auf den Boden, und mit so gröfserer Differenz, je niedriger die Temperatur ist, weil im Winter keine

über Quellen- Temperatur. 95

Wässer fliefsen, und Temperaturen unter dem Gefrierpuncte durch dies schnell wirkende Medium überhaupt gar nicht verbreitet werden können. Ich bin daher völlig überzeugt, dafs alle Nachrichten, welche behaupten, dafs der Boden in vielen Fufs Tiefe sich, selbst im Sommer noch gefroren gefunden habe, in Gegenden, welche noch im Stande sind, strauchartige Gewächse zu ernähren, für ganz unzuverlässig angesehen werden müssen, und Gmelins Nachrichten, dafs man in Brunnen in Jakutsk noch in 100 Fufs Tiefe den Boden gefroren fand, sollte nicht mehr in physischen Lehr- büchern, wie es doch so oft geschehen ist, wiederhohlt werden. Was Cosacken ausgesagt haben, die, als Gmelin diese Nachricht aus Acten in Jakutsk zog, lange schon todt waren, und denen es sehr leicht zu beschwer- lich seyn konnte, eine harte Brunnenarbeit fortzusetzen, sollte nicht gebraucht werden, eine so auffallende und so wenig glaubliche physikalische Thatsache zu bestätigen. In der Hudsonsbay, deren Mittel-Temperatur tief unter dem Gefrierpuncte steht, laufen Quellen, den ganzen Winter hindurch, unter einer Decke von Schnee und Eis. (Capt. James. 1631.)

Da, wo die Winterkälte nicht so grols ist, dafs die Temperatur wäh- rend einiger Zeit unter dem Gefrierpuncte bleibt und den Kreislauf der Wäs- ser verhindert, ist die Temperatur der beständigen Quellen auch fast gänz- lich mit der Temperatur der Atmosphäre übereinstimmend. Eine starke Quelle bei Edinburgh, in welcher sich das Thermometer fortwährend auf derselben Höhe erhält, zeigt 6,96 Grad R., die Mittel-Temperatur dieser Stadt aber ist nach Playfairs sechs Jahre fortgesetzten Beobachtungen 7,04GradR., welches gar kein Unterschied ist (Z’hom. Annal. Feb. 1818.). So findet man es im ganzen atlantischen Theil von Europa. Damit ist dann auch die Temperatur tiefer Brunnen übereinstimmend, solcher nämlich, welche wirklich gebraucht werden und in welchen dadurch ein Kreislauf der Wässer erhalten wird; nicht aber solcher, welche in Ruhe stehen, in denen daher die kalte Luft der Atmosphäre sich herabsenkt und die Wände in der Tiefe mehr erkältet, als das Gesetz der Mittheilung erlaubt haben würde. Im mittleren Europa darf man also wohl die Angabe beständiger Quellen für einen leicht zu findenden Ausdruck der mittleren atmosphärischen Tem- peratur halten.

Durch Humboldt erfahren wir aber, und durch ihn zuerst, dafs dies keinesweges der Fall in wärmeren Ländern sey; dafs die Angabe der

96 Bvcı

Quellen, daher auch die Wärme des Bodens fast überall einige Grade tiefer sey, als die Temperatur der Atmosphäre darüber. Er hat diese Thatsache in der hiesigen Akademie in einer Abhandlung vorgetragen, von der nur ein Auszug in Gilberts Annalen gedruckt ist (B.24. p.46.). In den Gebir- gen von Cumana und Caracas, sagt er, habe er viele Quellen stets kälter gefunden, als man nach ihrer Höhe hätte vermuthen sollen; so z.B. eine Quelle in 680 Toisen Höhe von 13,2R., eine andere in 505 Toisen Höhe von 13,5R., eine dritte in 392 Toisen Höhe von 16, SR. Alle waren also wenigstens drei Grade kälter, als sie es nach der mittleren Temperatur der Gegend seyn sollten, wo sie ausbrachen. Eine Quelle bei Cumanacoa von 48 Grad Temperatur und in 179 Toisen Höhe hätte 20 Grad angeben müssen, wäre sie mit der Luft-Temperatur übereinstimmend gewesen. Auch geben Bestimmungen von John Hunter von Quellen in Jamaica ein ähnliches Resultat (Phil. Transact. 1788. 59sqq.). Coldspring ist 3892 P. Fufs hoch und 13,22 Grad R. warm; man hätte 16 GradR. erwarten sollen. Ganz in der Tiefe am Meere scheint doch dieser Unterschied weniger bedeu- tend. Humboldt findet aus vielen Zusammenstellungen und Beobachtun- gen, dafs die mittlere Wärme der Aequatorialgegenden 21,5R.sey, und sagt dann ferner, dafs er die Wärme des Bodens bei Cumana zwischen 20 und 21 Grad wechselnd gefunden habe. Cumana selbst giebt er zu 22, 4R. an. Hunter sah die Temperatur in 100 Fufs tiefen Brunnen, bei Kings- ton nur um 1 Grad höher oder niedriger als 21,33 Grad R., und eine starke Quelle in der Nähe bei Rock fort zeigte 20,9 GradR. Ferrer fand die Wärme im Wasser eines 100 Fufs tiefen Brunnens bei der Havana 18,84R., die mittlere Luft-Temperatur 20,56R. Dies Alles würde den Unterschied zwischen der Wärme der Luft und des Bodens der Tropenlän- der am Meere auf höchstens 1 Grad R. feststellen.

So ungefähr fand es auch Prof. Smith